Der Jünger
legte Ben die Arme um den Hals, um ihn richtig zu umarmen.
“Ich bin so froh, dass du hier bist”, flüsterte sie ihm ins Ohr.
Es war ihm unmöglich, seinen Gefühlen in diesem Moment den richtigen Ausdruck zu verleihen. Er hielt noch immer ihre Hand, als der Veranstalter die Zeremonie beendete. Die Leute standen von den Tischen auf und liefen im Bankettsaal umher, einige plauderten auf dem Weg zur Tanzfläche, andere kamen zum Haupttisch herüber, an dem Ben und January saßen.
In dem Gewimmel bemerkte Ben einen dunkelhaarigen Mann mit olivbrauner Haut und dunklen Augen, der direkt auf sie zukam. Als er ganz offensichtlich Kurs auf January nahm und Ben klar war, dass er mit ihr sprechen wollte, wurde sein Griff unwillkürlich fester.
“Hallo, January, wir haben uns lange nicht gesehen”, begrüßte der Mann sie.
Ben bemerkte, dass sie leicht zusammenzuckte. Als er sah, wie sie die Lippen zusammenpresste, wusste er, dass sie ihn nicht nur kannte, sondern ihn offensichtlich auch nicht sonderlich mochte. Das beruhigte ihn.
January reichte dem Mann widerstrebend die Hand.
“Rodrigo. Es ist eine Ewigkeit her.” Sie musterte ihn von oben bis unten mit einem Blick, der fast schon unverschämt war. “Du hast dich wirklich sehr verändert. Ich hätte dich fast nicht erkannt.”
Bevor Rodrigo Rivera wieder etwas sagen konnte, legte January Ben schon die Hand auf den Arm und stellte ihm ihr Gegenüber vor.
“Ben, Schatz, das ist Rodrigo Rivera. Wir haben beide zur gleichen Zeit bei einem Fernsehsender in Houston gearbeitet.”
Rodrigo machte sich nicht die Mühe, Ben zur Kenntnis zu nehmen. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf January gerichtet. “Inzwischen heiße ich Rod. Ich habe beschlossen, es dir nachzumachen und den endlos langen Namen einfach abzukürzen, mit dem so viele von uns Latinos bestraft sind.”
January runzelte die Stirn. “Ich habe meinen Namen nie als Strafe empfunden.”
“Aber du hast ihn geändert.”
“Ich nicht. Das war einer meiner Bosse.”
“Wie auch immer, das ist ja auch egal. Ich wollte dir eigentlich gratulieren.” Dann drehte er sich zu Ben um. “Ich bin sicher, dein Mann ist stolz auf dich.”
“Oh, er ist …”
“Benjamin Wade North”, unterbrach Ben sie grinsend. “Ich habe meinen Namen auch abgekürzt, und zwar aus demselben offensichtlichen Grund. Nennen Sie mich einfach Ben.”
Ben merkte amüsiert, dass Rod auf seine Freundlichkeit verblüfft reagierte.
“Arbeiten Sie auch investigativ?”, erkundigte sich Rod.
Ben grinste und zwinkerte January vielsagend zu. January war erstaunt – so eloquent und entspannt hatte sie ihn bisher noch nicht erlebt.
“Ich glaube, ja – so könnte man es nennen, in einem gewissen Sinn”, entgegnete er. “Ich bin Detective bei der Mordkommission vom D.C.-Revier.”
Leicht geschockt blickte Rod January an. “Ein Polizist?”
“Ein Detective”, korrigierte sie ihn. “Wir sind spät dran.” Sie wandte sich an Ben. “Schatz, ich nehme an, man erwartet von uns, dass wir den Ball eröffnen. Gehen wir? Ich will noch schnell bei der Garderobe vorbei, um meinen Preis in Sicherheit zu bringen.”
“Sicher, Süße.” Ben nahm die Trophäe und bot ihr den Arm. “Es war nett, Sie kennenzulernen, Ron.”
Rivera runzelte die Stirn. “Rod. Mein Name ist Rod.”
“Tschuldigung”, konterte Ben knapp und schritt mit January am Arm und mit erhobenem Kopf an ihm vorbei.
January lächelte und schüttelte den Kopf, als sie sich den Weg durch die Menge bahnten. “Weißt du was, Detective? Du steckst voller Überraschungen.”
Ben grinste. “Ich weiß überhaupt nicht, wovon du redest.”
“Ron”, sagte sie und lachte. “Das saß!”
“Ja, damit habe ich gerechnet”, gab Ben zu.
“Ich weiß diese Rückendeckung zu schätzen, aber das war wirklich nicht notwendig. Ich komme mit diesem komischen Kerl schon klar.”
“Dessen bin ich mir sicher, aber das musste ich jetzt einfach haben.”
“Warum?”
“Es ist diese typische Reaktion von uns Männern, wenn wir merken, dass unser Territorium bedroht wird.”
Sie grinste. “So wie Hunde immer an Hydranten pinkeln müssen?”
Er lachte. “Ja, so ähnlich.”
“Also welches Territorium hat denn der arme Rodrigo unerlaubterweise betreten?”
“Deine Gunst. Er hatte seine Chance bei dir und, wenn mich meine Spürnase nicht ganz im Stich gelassen hat, dann ist das, was auch immer zwischen euch war, vorbei. Ich habe ihm nur seine Grenzen gezeigt.”
January
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