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Der Jünger

Der Jünger

Titel: Der Jünger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Sala
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ich?” Dann begann sie zu schreien. “Hilfe! Hilfe! Hilfe! Ist da jemand? Helft mir doch! Ich brauche Hilfe!”
    Niemand antwortete.
    Aus dem Loch in einer Ecke steckte eine zweite Ratte ihren Kopf heraus.
    “Mach, dass du wegkommst!”, schrie Jude und versuchte, sie mit dem Fuß zu verscheuchen. Das Tier rührte sich nicht einmal. “Verdammt”, schimpfte sie, dann stöhnte sie auf und versuchte sich so hinzusetzen, dass der Druck etwas nachließ.
    Sie musste dringend pinkeln. Der Drang war kaum noch zu unterdrücken. Dies war wieder so eine der Gelegenheiten, die sie daran erinnerten, dass sie eine Frau war. Obwohl sie so stark war, hatte sie eine ganz schwache Blase. Dieser Druck, den sie spürte, war ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie nicht mehr länger warten konnte.
    “Hallo!”, schrie sie. “Ich muss mal!”
    Niemand kam.
    Niemand kümmerte sich darum.
    Sie hielt den Drang zurück, bis ihr Tränen in die Augen traten und der Druck kaum noch auszuhalten war.
    “Verdammt noch mal!”, schrie sie. “Verdammt noch mal!”
    Das Loslassen war gleichzeitig erleichternd und schrecklich demütigend. Seit ihrer Kindheit hatte sie sich nicht mehr in die Hosen gemacht. Einerseits wurde sie von Scham und andererseits von einer unbändigen Wut überwältigt. Jude begann zu zittern. Sie wusste nicht, ob sie fluchen oder weinen sollte, während sie in ihrer eigenen Urinlache saß. Sie war ins Netz gegangen, ohne überhaupt eine Spinne entdeckt zu haben.
    Drei Tage später
    Rick war beim Zahnarzt und kam etwas später zur Arbeit. Am Empfangstresen war die Hölle los, der diensthabende Sergeant hatte hektische rote Flecken im Gesicht und schien kurz vor einem Nervenzusammenbruch zu stehen. Rick tat der Kiefer weh. Er sagte nichts, als er eintrat, sondern winkte dem Sergeant im Vorbeigehen nur zu. Als er fast an der Treppe war, legte ihm jemand die Hand auf den Arm.
    Es war eine Frau. Eine sehr kleine, zierliche Frau.
    “Hallo, Mister, sind Sie Polizist?”, fragte sie.
    Ben nickte.
    “Keiner hört mir hier zu, aber ich möchte eine Person als vermisst melden.”
    “Da müssen Sie zur Vermisstenabteilung gehen”, murmelte Rick und zuckte zusammen. “Tschuldigung, komme gerade vom Zahnarzt.”
    Sie sah ihn mitfühlend an, ließ sich aber trotzdem nicht abwimmeln.
    “Dieser Cop am Tresen hat mir das Gleiche gesagt. Er hat mir aber nicht erklärt, wo das ist. Können Sie mir nicht helfen?”
    “Sicher. Kommen Sie mit. Ich bringe sie hoch. Wie heißen Sie?”
    “Mitzi Fontaine.”
    “Nett, Sie kennenzulernen, Miss Fontaine. Mal sehen, ob wir Ihnen helfen können.”
    “Danke. Das ist echt nett.”
    Rick zuckte mit den Schultern. “Keine Ursache. Wie heißt die vermisste Person?”
    “Jude.”
    Rick stolperte über eine Stufe, konnte sich aber noch rechtzeitig festhalten, um nicht zu fallen.
    “Verdammte Schmerzspritzen. Machen mich immer ganz benebelt”, sagte er, doch durch den Kopf ging ihm etwas ganz anderes. Zuletzt hatten Ben und er sich ausgerechnet, dass der Straßenprediger immer noch einen Judas brauchte. Das war ziemlich abenteuerlich, aber dieser ganze Fall war sowieso so verrückt, dass man selbst die abwegigste Spur nicht ignorieren sollte.
    “Was macht denn dieser Jude so?”
    “Oh, Jude ist kein Typ, sondern eine Frau. Aber das sieht man eigentlich nicht. Sie ist Rausschmeißerin im Club Lesbo, wo ich tanze. Sie war jetzt schon drei Tage nicht mehr da, und das sieht ihr gar nicht ähnlich. Wirklich nicht.”
    Ricks Hoffnung schwand. Eine Lesbe. Das passte überhaupt nicht.
    “Also eine Frau, ja?” Dann fiel ihm ein, was sie noch gesagt hatte. “Was meinten Sie damit, dass man es eigentlich nicht sieht?”
    “Das ist wirklich so”, entgegnete Mitzi. “Ich mag sie echt gern. Sie war immer nett zu mir, aber ich möchte sie nicht zum Feind haben. Sie ist ziemlich groß, wissen Sie?”
    “Wie groß?”
    “Na … Über eins fünfundachtzig. Und ihr Körperbau … Na ja, wie ein Mann. Ich glaube, sie macht Bodybuilding oder so was. Sie hat gar keinen Busen, na jedenfalls ist er nicht zu erkennen. Sie sieht aus wie ein Gewichtheber. Kurze Haare, einen schrecklichen Stacheldraht-Ohrring und Stacheldraht-Tätowierungen.”
    “Sie haben nicht zufällig ein Foto dabei, oder?”, fragte Rick.
    Mitzi nickte und wühlte in ihrer Tasche.
    “Habe ich. Ich bin vorbereitet. Es sieht Jude absolut nicht ähnlich, dass sie nicht zur Arbeit kommt, ohne vorher Bescheid zu sagen. Deshalb bin ich

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