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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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Stunde vergessen! Wir wollen uns das Wort darauf geben! Wir wollen uns das Wort darauf geben, daß wir immer dieses Tages gedenken werden, an dem ich und du Arm in Arm gingen und so lachten und so vergnügt waren ... Ja? Willst du? Ja?«
    »Ja, Lisa, ja, ich verspreche es dir; aber Lisa, mir ist, als hörte ich dich zum erstenmal reden ... Lisa, hast du viel gelesen?«
    »Du hast mich ja bisher nicht gefragt! Gestern, als ich einen falschen Ausdruck gebrauchte, geruhten Sie, mein gnädiger, kluger Herr, zum erstenmal mich Ihrer Beachtung zu würdigen.«
    »Aber warum hast du nicht selbst mit mir zu reden angefangen, wenn ich ein solcher Dummkopf war?«
    »Ich habe immer darauf gewartet, daß du klüger werden solltest ... Ich habe Sie gleich zu Anfang durchschaut, Arkadij, und als ich Sie durchschaut hatte, da dachte ich: »Er wird schon kommen; das Ende wird gewiß sein, daß er kommt«, na, und da beschloß ich, die Ehre, den ersten Schritt zu tun, lieber Ihnen selbst zu überlassen. »Nein«, dachte ich, »jetzt kannst du mir erst ein bißchen nachlaufen.««
    »Ach, du Kokette! Na, Lisa, bekenne mal offen: hast du dich über mich während dieses Monats lustig gemacht?«
    »Ach, du bist sehr komisch, Arkadij, furchtbar komisch! Und weißt du, ich habe dich vielleicht in diesem Monat gerade deswegen besonders liebgehabt, weil du ein so schnurriger Kauz bist. Aber du hast auch deine schlechten Seiten – das will ich dir nur sagen, damit du nicht stolz wirst. Und weißt du, wer noch über dich gelacht hat? Mama hat über dich gelacht, Mama und ich zusammen: »So ein schnurriger Kauz«, flüsterte sie mir manchmal zu, »nein, was für ein schnurriger Kauz!« Und du saßest dabei und dachtest, daß wir dasäßen und vor dir zitterten.«
    »Lisa, wie denkst du über Wersilow?«
    »Ich schätze ihn sehr; aber weißt du, wir wollen jetzt nicht von ihm sprechen. Das ist heute nicht die rechte Zeit, nicht wahr?«
    »Ganz richtig! Nein, du bist furchtbar klug, Lisa! Du bist unbedingt klüger als ich. Aber warte nur, Lisa, ich werde mit dieser ganzen Geschichte ein Ende machen, und dann werde ich dir vielleicht auch etwas sagen ...«
    »Warum machst du denn ein so finsteres Gesicht?«
    »Ich mache weiter kein finsteres Gesicht, Lisa; das ist nur so äußerlich ... Siehst du, Lisa, ich will es dir lieber geradeheraus sagen: es ist eine Eigentümlichkeit von mir, daß ich es nicht gerne mag, wenn jemand diesen oder jenen empfindlichen Punkt in meiner Seele mit den Fingern berührt ... oder ich will lieber so sagen: wenn man gewisse Gefühle oft an die Öffentlichkeit treten läßt, damit alle Leute sie beschauen, so ist das doch ein Benehmen, dessen man sich schämen muß, nicht wahr? Darum ziehe ich es manchmal vor, ein finsteres Gesicht zu machen und zu schweigen; du bist ja klug, du mußt dafür Verständnis haben.«
    »Ja, mehr noch, ich bin selbst ganz ebenso; ich habe vollständiges Verständnis für dich. Weißt du, daß auch Mama ganz ebenso ist?«
    »Ach, Lisa! Wenn man nur recht lange auf der Welt lebte! Wie? Was hast du gesagt?«
    »Ich habe nichts gesagt.«
    »Du siehst mich ja so an?«
    »Du siehst mich ja auch so an. Ich sehe dich an und hab dich gern.«
    Ich begleitete sie bis fast nach Hause und gab ihr meine Adresse. Beim Abschied küßte ich sie zum erstenmal in meinem Leben.

V
     
    Und all das wäre gut gewesen; nur eines war nicht gut: ein schwerer Gedanke bohrte schon seit der Nacht in meinem Kopf herum und wollte nicht herausgehen. Es war dies der Gedanke daran, daß ich, als ich gestern abend an unserem Tor mit der Unglücklichen zusammengetroffen war, zu ihr gesagt hatte, ich würde selbst das Haus, die Familie verlassen; von schlechten Menschen müsse man fortgehen undsich ein eigenes Nest bauen, und Wersilow habe viele illegitime Kinder. Solche Worte, von einem Sohn über den Vater gesprochen, mußten ihr natürlich als eine Bestätigung ihres ganzen Verdachtes gegen Wersilow erscheinen, sie in dem Glauben bestärken; daß er sie beleidigt habe. Ich hatte Stebelkow beschuldigt, Öl ins Feuer gegossen zu haben, aber vielleicht hatte gerade ich es ganz besonders getan. Dieser Gedanke war mir schrecklich und ist es auch jetzt noch... Damals aber, an jenem Vormittag, hatte ich zwar schon angefangen, mich damit zu quälen; aber es schien mir doch noch, daß das nur Torheit sei: »Ach was«, sagte ich mir von Zeit zu Zeit, »da war auch schon ohne mich viel ins Brennen und Sieden geraten; ach was, es hat

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