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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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ein kleiner Junge hinreißen ließ. ›Ich, der ich den Hunger ertragen konnte, vermag mich bei einer solchen Dummheit nicht zu beherrschen!‹ – das war's, was mich nervös machte. Dazu kam noch eins: das Bewußtsein, daß, wie lächerlich und gering ich auch erscheinen mochte, doch in meinem Innern jener Schatz von Kraft verborgen lag, der alle diese Menschen irgendwann dazu zwingen würde, ihre Meinung über mich zu ändern; dieses Bewußtsein bildete damals – fast schon seit meinen traurigen Kinderjahren – die einzige Quelle meines Lebens, mein Licht und meinen Stolz, meine Waffe und meinen Trost; sonst hätte ich mir vielleicht schon als Kind das Leben genommen. Und daher war ich notwendigerweise über mich selbst empört, wenn ich sah, in was für ein klägliches Wesen ich mich am Spieltische verwandelte. Das war der Grund, weshalb ich nicht mehr vom Spiel ablassen konnte: jetzt erkenne ich das alles mit voller Deutlichkeit. Von diesem Hauptgrund abgesehen, litt auch meine kleinliche Eitelkeit: meine Spielverluste erniedrigten mich dem Fürsten gegenüber, Wersilow gegenüber, obgleich der letztere es nicht der Mühe wert hielt, ein Wort darüber zu sprechen, allen gegenüber, sogar Tatjana gegenüber – so jedenfalls schien es mir, so empfand ich es. Schließlich will ich noch ein Bekenntnis ablegen: ich war damals schon verdorben; es wurde mir schon schwer, auf ein aus sieben Gängen bestehendes Diner im Restaurant, auf Matwej, auf die Anzüge aus dem Englischen Magazin, auf die gute Meinung, die mein Friseur von mir hatte, na und auf all solcheDinge zu verzichten. Ich war mir auch damals schon dessen bewußt, unterdrückte aber dieses peinliche Bewußtsein absichtlich; jetzt, wo ich dies niederschreibe, erröte ich vor Beschämung.

III
     
    Ich war allein eingetreten und befand mich nun in einer Schar unbekannter Menschen; so ließ ich mich denn zunächst an einer Ecke des Tisches nieder, setzte nur kleine Beträge und saß so etwa zwei Stunden lang, ohne mich zu rühren. Diese ganzen zwei Stunden über trug das Spiel einen sehr farblosen Charakter – nicht Fisch nicht Fleisch. Ich ließ wundervolle Chancen ungenutzt und gab mir alle Mühe, nicht ärgerlich zu werden, sondern durch Kaltblütigkeit und vorsichtiges Spiel etwas zu erreichen. Schließlich ergab sich, daß ich in den ganzen zwei Stunden weder verloren noch gewonnen hatte: von den dreihundert Rubeln hatte ich zehn, fünfzehn Rubel verspielt. Dieses elende Resultat erboste mich, und überdies ereignete sich noch ein unangenehmer Zwischenfall. Ich weiß, daß es in diesen Roulettsälen manchmal Diebe gibt, das heißt nicht solche von der Straße, sondern einfach Mitglieder der Spielgesellschaft. So bin ich zum Beispiel überzeugt, daß der bekannte Spieler Afjerdow ein Dieb ist; er spielt auch jetzt noch in der Stadt eine Rolle, er ist mir erst kürzlich in seiner eigenen Equipage mit zwei Ponys davor begegnet; aber er ist ein Dieb und hat mich bestohlen. Aber diese Geschichte später; an diesem Abend trug sich nur das Präludium davon zu. Ich saß diese ganzen zwei Stunden lang an einer Ecke des Tisches, und links neben mir hatte die ganze Zeit über so ein eklig aufgeputzter Kerl seinen Platz, ich glaube, ein Judenjüngling; er ist übrigens irgendwo Kompagnon, schreibt sogar etwas und läßt es drucken. Im allerletzten Augenblick gewann ich plötzlich zwanzig Rubel. Die beiden roten Banknoten lagen vor mir, und auf einmal sah ich, wie dieser Judenjüngling die Hand ausstreckte und mit der größten Seelenruhe eine meiner Banknoten zu sich heranzog. Ich erhob Einspruch, aber er erklärte mir mit der unverschämtesten Miene und ohne die Stimme zu erheben, das sei sein Gewinn, er habe soeben selbst gesetzt und gewonnen; er wollte das Gesprächnicht einmal fortsetzen und wandte sich von mir ab. Leider befand ich mich in jenem Augenblick gerade in einer sehr dummen Gemütsverfassung: ich beschäftigte mich mit einer großen Idee, und so ließ ich denn die Sache schießen, stand schnell auf und ging weg; ich wollte mich mit ihm nicht herumstreiten und schenkte ihm die zehn Rubel. Und es wäre auch schwer gewesen, diese Geschichte mit dem frechen Dieb zum Austrag zu bringen, da ich den richtigen Augenblick bereits hatte vorübergehen lassen: das Spiel hatte schon seinen Fortgang genommen. Und eben das war nun von meiner Seite ein gewaltiger Fehler, der sich in der Folge schwer rächte: drei oder vier Spieler in unserer Nähe hatten unseren

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