Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
Vom Netzwerk:
Wortwechsel bemerkt, und da sie sahen, daß ich so leicht nachgab, hielten sie mich wahrscheinlich selbst für ein solches Subjekt. Es war gerade Mitternacht; ich ging in das anstoßende Zimmer, dachte ein Weilchen nach, entwarf einen neuen Plan, und als ich zurückgekehrt war, wechselte ich mir beim Bankhalter meine Banknoten in Halbimperiale um. Ich hatte deren nun etwas über vierzig Stück. Ich teilte sie in zehn gleiche Teile und beschloß, zehnmal hintereinander auf Zero zu setzen, jedesmal vier Halbimperiale, einmal nach dem andern. ›Gewinne ich, so ist das mein Glück; verliere ich, um so besser; dann werde ich nie wieder spielen.‹ Ich bemerke noch, daß in diesen ganzen zwei Stunden nicht ein einziges Mal Zero herausgekommen war, so daß schließlich niemand mehr auf Zero setzte.
    Ich setzte im Stehen, schweigend, mit finsterem Gesicht und zusammengebissenen Zähnen. Bei meinem dritten Einsatz rief Serschtschikow laut: »Zero!« das den ganzen Abend über noch nicht gekommen war. Es wurden mir hundertvierzig Halbimperiale in Gold ausgezahlt. Ich hatte noch sieben Einsätze und fuhr fort zu setzen, obwohl alles um mich herum sich zu drehen und zu tanzen begann.
    »Kommen Sie hierher!« rief ich über den ganzen Tisch hinweg einem Spieler zu, neben dem ich vorher gesessen hatte, einem Herrn im Frack, mit grauem Schnurrbart und rotem Gesicht, der schon mehrere Stunden lang mit unsäglicher Geduld kleine Beträge gesetzt und einen Einsatz nachdem andern verloren hatte. »Kommen Sie hierher! Hier ist Glück!«
    »Meinen Sie mich?« antwortete der Schnurrbärtige in verwundertem, drohendem Ton vom Ende des Tisches her.
    »Ja, Sie! Da werden Sie alles bis auf den letzten Rubel verlieren!«
    »Das ist nicht Ihre Sache, und ich ersuche Sie, mich nicht zu belästigen!«
    Aber ich konnte mich schon nicht mehr halten. Mir gegenüber, auf der anderen Seite des Tisches, saß ein älterer Offizier. Als er meine Art zu setzen sah, sagte er halblaut zu seinem Nachbar:
    »Sonderbar, Zero. Nein, zu Zero kann ich mich nicht entschließen.«
    »Entschließen Sie sich nur dazu, Oberst!« rief ich und setzte von neuem.
    »Ich ersuche Sie ebenfalls, mich in Ruhe zu lassen und mich mit Ihren Ratschlägen zu verschonen«, erwiderte er scharf. »Sie schreien hier sehr laut.«
    »Ich gebe Ihnen ja nur einen guten Rat. Na, wollen wir wetten, daß gleich noch einmal Zero kommt? Zehn Goldstücke, da, mein Wetteinsatz; haben Sie Lust?«
    Ich legte zehn Halbimperiale hin.
    »Auf zehn Goldstücke wetten? Das kann ich tun«, versetzte er mit trockenem Ernst. »Ich wette gegen Sie, daß nicht Zero kommt.«
    »Auf zehn Louisdors, Oberst.«
    »Was soll das heißen: ›auf zehn Louisdors‹?«
    »Auf zehn Halbimperiale, Oberst; feiner gesagt: auf zehn Louisdors.«
    »Dann sagen Sie einfach ›Halbimperiale‹, und erlauben Sie sich mit mir keine Späße!«
    Ich hatte natürlich keine Hoffnung, daß ich die Wette gewinnen würde; es waren sechsunddreißig Chancen gegen eine, daß Zero nicht kommen würde, aber doch hatte ich die Wette vorgeschlagen, erstens, um großzutun, und zweitens, weil ich auf irgendeine Weise die allgemeine Aufmerksamkeit auf mich lenken wollte. Ich sah nur zu gut, daß mich hier aus irgendeinem Grund niemand leiden konnte und daß man mich das mit besonderem Vergnügen empfindenließ. Das Roulett drehte sich – und wie groß war das allgemeine Erstaunen, als wieder Zero kam! Es erscholl sogar ein allgemeiner Aufschrei. Und nun umnebelte der Rausch des Gewinnens meinen Geist vollständig. Es wurden mir wieder hundertvierzig Halbimperiale ausgezahlt. Serschtschikow fragte mich, ob ich nicht einen Teil davon in Banknoten nehmen wolle, aber ich murmelte nur etwas Unverständliches zur Antwort, denn ich war faktisch nicht mehr imstande, mich ruhig und deutlich auszudrücken. Im Kopf drehte sich alles, und die Beine waren mir schwach geworden. Ich hatte auf einmal das Gefühl, daß ich nun gleich furchtbar gewagt spielen würde; außerdem hatte ich die größte Lust, noch irgend etwas zu unternehmen, jemandem eine Wette anzubieten, jemandem ein paar tausend Rubel auszuzahlen. Mechanisch scharrte ich mit der Handfläche die Banknoten und Goldstücke zusammen, konnte mich aber nicht so weit sammeln, sie nachzuzählen. In diesem Augenblick bemerkte ich hinter mir den Fürsten und Darsan: sie kamen aus ihrem Pharozirkel und hatten dort, wie ich nachher erfuhr, alles verspielt.
    »Ah, Darsan«, rief ich ihm zu. »Hier ist

Weitere Kostenlose Bücher