Der Jüngling
mitzuteilen haben. Habe ich ihm nicht von vornherein laut und energisch versichert, daß zwischen uns ›nichts sein konnte‹? Er ist doch ein Mensch, der Verständnis hat. Hm! Aber was glüht doch selbst heute noch in seinem Herzen für ein Haß gegen diese Frau! Was für ein Drama muß sich damals zwischen ihnen abgespielt haben, und aus welchem Anlaß? Gewiß aus Selbstsucht! Wersilow ist keines anderen Gefühls fähig als einer grenzenlosen Selbstsucht! «
Ja, dieser letzte Gedanke stieg damals in mir auf, ohne daß ich ihn eigentlich beachtet hätte. Solche Gedanken zogen mir damals, einer nach dem andern, durch den Kopf, und ich war gegen mich völlig aufrichtig: ich machte mir nichts vor, ich suchte mich nicht selbst zu täuschen; und wenn ich damals in jenem Augenblick das eine oder andere nicht begriff, so kam das nur von meinem unzulänglichen Verstand her, nicht etwa daher, daß ich mich selbst in jesuitischer Weise betrogen hätte.
Ich kehrte in sehr lebhafter Erregung nach Hause zurück und befand mich, ohne recht zu wissen warum, in sehr heiterer Stimmung, obwohl in meinem Kopf eine große Unklarheit herrschte. Aber ich fürchtete mich davor, das zu analysieren, und gab mir alle Mühe, mich zu zerstreuen. Ich ging sogleich zu meiner Wirtin: es hatte in der Tat zwischen ihr und ihrem Mann einen argen Krach gegeben. Sie war eine hochgradig schwindsüchtige Frau, vielleicht gutherzig, aber wie alle schwindsüchtigen Frauen sehr launisch. Ich machte mich sogleich daran, die beiden miteinander zu versöhnen, und ging auch zu dem andern Mieter, einem sehr groben, pockennarbigen, dummen, höchst eingebildeten Bankbeamten namens Tscherwjakow, den ich selbst nicht leiden konnte, mit dem ich aber dochin gutem Einvernehmen lebte, weil ich gemein genug war, oft mit ihm zusammen Pjotr Ippolitowitsch zu hänseln. Ich redete ihm sogleich das Ausziehen aus, aber er hätte diese Absicht auch wohl von selbst nicht zur Ausführung gebracht. Schließlich gelang es mir, die Wirtin vollständig zu beruhigen, und überdies brachte ich es fertig, ihr das Kopfkissen vorzüglich zurechtzulegen: »So gut hat es Pjotr Ippolitowitsch nie verstanden«, sagte sie schadenfroh. Darauf beschäftigte ich mich in der Küche mit ihren Senfpflastern und machte ihr eigenhändig zwei vorzügliche derartige Pflaster zurecht. Der arme Pjotr Ippolitowitsch sah mir dabei nur zu und beneidete mich um meine Geschicklichkeit, aber ich erlaubte ihm nicht, die Pflaster auch nur zu berühren, und wurde für meine Leistung buchstäblich mit Tränen der Dankbarkeit belohnt. Aber ich erinnere mich, auf einmal wurde mir das alles gräßlich zuwider, und ich wurde mir bewußt, daß ich der Kranken gar nicht aus Gutherzigkeit behilflich gewesen war, sondern aus irgendeinem ganz andern Grund.
Ich wartete mit nervöser Ungeduld auf Matwej: ich hatte mir vorgenommen, an diesem Abend zum letztenmal das Glück zu versuchen, und ... und auch davon abgesehen fühlte ich ein gewaltiges Bedürfnis zu spielen; sonst wäre mir der Abend unerträglich gewesen. Wenn ich nicht anderswohin gefahren wäre, würde ich es vielleicht nicht ausgehalten haben und zu ihr gefahren sein. Matwej mußte bald erscheinen, aber auf einmal öffnete sich die Tür, und es trat ein unerwarteter Besuch ein: Darja Onissimowna. Ich runzelte die Stirn und wunderte mich. Sie kannte meine Adresse, da sie schon einmal in Mamas Auftrag bei mir gewesen war. Ich forderte sie auf, Platz zu nehmen, und sah sie fragend an. Sie sagte nichts, sondern blickte mir gerade in die Augen und lächelte demütig.
»Sie kommen wohl von Lisa?« fragte ich, da mir dies gerade einfiel.
»Nein, ich komme nur so.«
Ich teilte ihr mit, daß ich gleich wegfahren müsse; sie antwortete wieder, sie sei »nur so« gekommen und werde sogleich wieder weggehen. Sie tat mir auf einmal leid, ich wußte nicht warum. Ich bemerke, daß ihr von uns allen,von Mama und besonders von Tatjana Pawlowna, viel Teilnahme erwiesen worden war, aber nachdem es gelungen war, sie bei Frau Stolbejewa unterzubringen, hatten die Unsrigen sie alle nach und nach vergessen, vielleicht mit Ausnahme von Lisa, die häufig zu ihr ging. Die Schuld daran trug wohl Darja Onissimowna selbst, die trotz all ihrer Demut und ihres einschmeichelnden Lächelns eine starke Neigung sich abzusondern und unsichtbar zu machen besaß. Mir für meine Person mißfiel dieses ihr Lächeln sehr, und auch, daß sie ihrem Gesicht offenbar immer einen gekünstelten
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