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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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sich sicherlich in vornehmer, geschmackvoller Weise benommen. Sie ist ein ernster Typ, mein Freund, eine jungfräuliche Nonne, wie du sie einmal bezeichnet hast, ein ›ruhiges Mädchen‹, wie ich sie schon lange nenne. Sie ist ja, wie du weißt, beinahe seine Pflegetochter und hat schon zu wiederholten Malen seine Güte erfahren. Sie hat mir schon seit langer Zeit gesagt, daß sie ihn so achte und schätze und so bedaure und mit ihm so sympathisiere, na, und so weiter, so daß ich sogar einigermaßen darauf vorbereitet war. Mir hat dies alles heute morgen in ihrem Namen und in ihrem Auftrag mein Sohn, ihr Bruder Andrej Andrejewitsch, mitgeteilt, mit dem du ja wohlnicht bekannt bist und den ich genau einmal alle halben Jahre zu sehen bekomme. Er billigt ihren Schritt respektvoll.«
    »Also ist die Sache schon öffentlich bekannt? Herrgott, ich kann es gar nicht fassen!«
    »Nein, öffentlich bekannt ist es durchaus noch nicht, wenigstens vorläufig nicht ... Ich weiß darüber nichts, wie ich mich überhaupt ganz abseits halte. Aber seine Richtigkeit hat das alles.«
    »Aber was wird jetzt Katerina Nikolajewna ... Was meinen Sie, Bjoring wird die Geschichte nicht gerade gefallen?«
    »Das weiß ich nicht ... was sollte ihm eigentlich dabei nicht gefallen? Aber sei überzeugt, daß Anna Andrejewna auch in dieser Beziehung ein höchst korrekter Mensch ist. Nein, diese Anna Andrejewna! Fragt sie mich noch eigens gestern vormittag, ob ich die verwitwete Frau Achmakowa liebe. Du erinnerst dich, ich erzählte es dir gestern voller Verwunderung: sie könnte den Vater nicht heiraten, wenn ich die Tochter heiratete. Verstehst du jetzt den Zusammenhang?«
    »Ach, wahrhaftig!« rief ich. »Aber hat denn Anna Andrejewna wirklich denken können, daß Sie ... wünschen könnten, Katerina Nikolajewna zu heiraten?«
    »Offenbar hat sie es nicht für undenkbar gehalten, mein Freund. Übrigens ... übrigens wird es für dich allmählich Zeit, dahin zu gehen, wohin du gehen wolltest. Siehst du, ich habe schon die ganze Zeit Kopfschmerzen. Ich werde mir die Lucia bestellen. Ich liebe so etwas Feierliches, Langweiliges; übrigens habe ich dir das schon gesagt ... Ich wiederhole mich in unverzeihlicher Weise ... Übrigens, vielleicht gehe ich auch von hier weg. Ich habe dich sehr gern, mein Lieber, aber jetzt leb wohl: wenn ich Kopfschmerzen oder Zahnschmerzen habe, bin ich immer am liebsten allein.«
    Auf seinem Gesicht erschien ein Ausdruck von Schmerz; ich glaube jetzt, daß ihm damals der Kopf weh tat, gerade der Kopf.
    »Auf Wiedersehen morgen«, sagte ich.
    »Was heißt das: ›auf Wiedersehen morgen‹? Wer weiß,was morgen sein wird?« versetzte er mit einem schiefen Lächeln.
    »Ich werde zu Ihnen kommen, oder Sie zu mir.«
    »Nein, ich werde nicht zu dir kommen, aber du wirst zu mir gelaufen kommen ...«
    Auf seinem Gesicht lag ein geradezu böser Ausdruck; aber ich kümmerte mich nicht weiter darum: so ein Ereignis!

III
     
    Der Fürst war tatsächlich nicht wohl und saß allein zu Hause, den Kopf mit einem nassen Handtuch umwickelt. Er hatte mich schon ungeduldig erwartet; aber es war nicht nur der Kopf, der ihm weh tat, vielmehr litt der ganze Mensch seelisch. Ich muß wieder etwas vorwegnehmen: in dieser ganzen letzten Zeit bis zur Katastrophe traf es sich, daß ich fortwährend mit Leuten zusammenkam, die so aufgeregt waren, daß man sie alle beinahe für geistesgestört halten konnte; ohne es zu wollen, mußte ich von ihnen gewissermaßen angesteckt werden. Ich muß gestehen, ich kam mit bösen Gefühlen zu ihm und schämte mich auch sehr darüber, daß ich tags zuvor bei ihm in Tränen ausgebrochen war. Und dann hatten doch auch er und Lisa mich so geschickt zu betrügen verstanden, daß ich nicht umhinkonnte, mich für einen Dummkopf zu halten. Kurz, als ich bei ihm eintrat, erklangen in meiner Seele falsche Saiten. Aber all dieses Falsche und Angenommene fiel bald von mir ab. Ich muß ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen: nachdem er sein Mißtrauen als unbegründet erkannt hatte, gab er sich auch völlig hin, und es zeigten sich bei ihm Züge einer beinahe kindlichen Freundlichkeit, Zutraulichkeit und Liebe. Er küßte mich unter Tränen und begann sogleich von unserer Angelegenheit zu sprechen ... Ja, er hatte mich wirklich sehr nötig: in seinen Worten und in der Verknüpfung seiner Gedanken herrschte eine arge Unordnung.
    Er erklärte mir mit der größten Bestimmtheit, er beabsichtige, Lisa zu heiraten, und zwar

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