Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
Vom Netzwerk:
irgendeiner Gemeinheit gegen Katerina Nikolajewna aufgehetzt?«
    »Ich habe vielleicht übertrieben und in meinem Mißtrauen ihm ebenso unrecht getan wie Ihnen. Lassen wir das beiseite. Aber glauben Sie wirklich, es hätte mir nicht in dieser ganzen Zeit, von dem Aufenthalt in Luga an, ein hohes Lebensideal vorgeschwebt? Ich kann Ihnen versichern, es ist mir nicht entschwunden, ist mir immer vor Augen geblieben und hat für mich nichts von seiner Schönheit verloren. Den Schwur, den ich vor Lisaweta Makarowna abgelegt habe, ein neues Leben zu beginnen, diesen Schwur habe ich nicht vergessen. Als Andrej Petrowitsch gestern hier über den Adel sprach, hat er mir nichts Neues gesagt, dessen können Sie sicher sein. Mein Ideal hat jetzt einen festen Inhalt gewonnen: ein paar Dutzend Deßjatinen Land (und zwar nur ein paar Dutzend, da ich von der Erbschaft fast nichts mehr übrig habe), dann ein vollständiger, ganz vollständiger Bruch mit der Gesellschaft und mit der Karriere, ein ländliches Haus, eine Familie und ich selbst Pflüger oder etwas Ähnliches. Oh, in unserer Familie ist das nichts Neues: der Bruder meines Vaters hat eigenhändig gepflügt und mein Großvater ebenfalls. Wir sind zwar ein tausendjähriges Fürstengeschlecht und von so hohem Adel wie die Rohans, aber wir sind Bettler. Und das würde ich auch meinen Kindern einprägen: ›Denk dein ganzes Leben lang daran, daß du ein Edelmann bist und daß in deinen Adern das heilige Blut russischer Fürsten fließt, aber schäme dich dessen nicht, daß dein Vater selbst das Land gepflügt hat: er hat es in Fürstenart getan.‹ Ich würde ihnen kein Vermögen hinterlassen außer diesem Stückchen Land, ihnen aber dafür die höchste Bildung zuteil werden lassen, das würde ich für meine Pflicht halten. Oh, hierbei würde mir Lisa helfen, Lisa, die Kinder und die Arbeit; oh, wie haben wir beide, sie und ich, uns das alles in Gedanken ausgemalt, hier, in diesen Zimmern; und ist es zu glauben: ich dachte gleichzeitig an Frau Achmakowa, die ich nicht liebe, an die Möglichkeit einer vornehmen, reichen Heirat! Und erst nach der Nachricht von diesem Bjoring, die Naschtschokin gestern brachte, erst da entschloß ich mich, zu Anna Andrejewna zu gehen.«
    »Aber Sie sind doch zu ihr gegangen, um sich von ihr loszusagen? Und ich meine, das war doch eine ehrenhafte Tat?«
    »Meinen Sie?« sagte er, plötzlich vor mir stehenbleibend. »Nein, Sie kennen meinen Charakter noch nicht! Oder ... oder es ist da etwas, was ich selbst nicht kenne: denn ich habe wahrscheinlich mehrere Charaktere. Ich habe Sie aufrichtig lieb, Arkadij Makarowitsch, und außerdem habe ich Ihnen diese zwei Monate lang schweres Unrecht getan, und darum will ich, daß Sie als Lisas Bruder alles erfahren: ich fuhr zu Anna Andrejewna in der Absicht, ihr einen Antrag zu machen, nicht um mich von ihr loszusagen.«
    »Ist es möglich? Aber Lisa sagte mir doch ...«
    »Ich habe Lisa belogen.«
    »Erlauben Sie: Sie haben ihr einen förmlichen Antrag gemacht, und Anna Andrejewna hat Ihnen einen Korb gegeben? War es so? War es so? Die Einzelheiten sind für mich von außerordentlicher Wichtigkeit, Fürst.«
    »Nein, einen Antrag habe ich ihr nicht gemacht, aber nur deswegen nicht, weil ich nicht dazu kam. Sie selbst kam mir zuvor und gab mir, allerdings nicht mit direkten, aber doch durchsichtigen, klaren Worten, »zartfühlend« zu verstehen, daß dieses Projekt von vornherein unmöglich sei.«
    »Also haben Sie ihr in Wirklichkeit doch keinen Antrag gemacht, und Ihr Stolz wurde nicht verletzt!«
    »Können Sie wirklich so darüber urteilen? Und der Richterspruch meines eigenen Gewissens? Und Lisa, die ich betrogen habe und ... vielleicht im Stich lassen wollte? Und das Gelübde, das ich mir selbst und dem ganzen Geschlecht meiner Vorfahren gegeben habe, ein anderer Mensch zu werden und alle meine früheren Schändlichkeiten wiedergutzumachen? Ich bitte Sie inständig, sagen Sie ihr nichts davon! Vielleicht würde das das einzige sein, was zu verzeihen sie nicht imstande wäre! Ich bin seit gestern ganz krank. Und nun die Hauptsache: es scheint, daß jetzt alles aus ist und der letzte der Fürsten Sokolskij ins Zuchthaus kommen wird. Arme Lisa! Ich habe heute den ganzen Tag sehnsüchtig auf Sie gewartet, Arkadij Makarowitsch, um Ihnen, als dem Bruder Lisas, das zu entdecken, was sie noch nicht weiß. Ich bin ein kriminellerVerbrecher und an der Herstellung gefälschter Aktien der ***er Eisenbahn

Weitere Kostenlose Bücher