Der Jüngling
möglichst bald. »Daß sie nicht adlig ist, hat auch nicht einen Augenblick lang bei mir Bedenken erregt, das können Sie mir glauben«, sagte er zu mir. »Mein Großvater war mit einem Gutsmädchenverheiratet, das bei einem benachbarten Gutsbesitzer an dessen privatem Leibeigenentheater Sängerin gewesen war. Allerdings hat meine Familie auf mich bestimmte Hoffnungen gesetzt, aber auf diese Hoffnungen wird sie nun eben verzichten müssen, und das wird auch nicht einmal einen Kampf kosten. Ich will mit meiner ganzen jetzigen Umgebung brechen, endgültig brechen! Alles soll anders, alles soll neu werden! Ich verstehe nicht, weswegen Ihre Schwester mich liebgewonnen hat; aber allerdings würde ich ohne sie jetzt vielleicht nicht mehr auf der Welt sein. Ich schwöre es Ihnen aus tiefstem Herzen: ich sehe jetzt in meinem Zusammentreffen mit ihr in Luga einen Fingerzeig der Vorsehung. Ich glaube, sie hat mich wegen der unermeßlichen Tiefe meines Falles liebgewonnen ... haben Sie übrigens dafür Verständnis, Arkadij Makarowitsch?«
»Vollkommen!« erwiderte ich im Ton festester Überzeugung. Ich saß in einem Lehnstuhl am Tisch, während er im Zimmer auf und ab ging.
»Ich muß Ihnen den ganzen Hergang unserer Begegnung erzählen, ohne etwas zu verschweigen. Die Sache begann damit, daß ich ihr ein Geheimnis anvertraute; sie ist die einzige, die es erfahren hat, weil sie die einzige ist, der ich mich entschloß es mitzuteilen. Sonst weiß es bis auf den heutigen Tag niemand. Nach Luga war ich damals mit Verzweiflung im Herzen gekommen; ich wohnte bei Frau Stolbejewa, ich weiß selbst nicht warum – vielleicht suchte ich die größte Einsamkeit. Ich hatte damals eben erst meinen Abschied beim ***schen Regiment genommen. In dieses Regiment war ich nach meiner Rückkehr aus dem Ausland eingetreten, nach jener Begegnung, die ich im Ausland mit Andrej Petrowitsch gehabt hatte. Ich hatte damals Geld, ich führte beim Regiment ein verschwenderisches Leben und kargte auch für andere nicht, aber die anderen Offiziere mochten mich nicht leiden, obwohl ich mir alle Mühe gab, niemandem zu nahe zu treten. Ich muß Ihnen gestehen, daß mich überhaupt nie jemand gern gehabt hat. Es war dort ein Kornett, ein gewisser Stepanow; ich muß Ihnen gestehen, ein ganz hohles, unbedeutendes und sogar gleichsam eingeschüchtertes Menschlein, kurz, in keiner Weiseetwas Hervorragendes. Indes war er zweifellos ehrenhaft. Er hatte sich an mich angeschlossen, und ich machte mit ihm keinerlei Umstände: er saß bei mir schweigend, aber in würdiger Haltung tagelang in einer Ecke, ohne mich im geringsten zu stören. Eines Tages erzählte ich ihm ein Geschichtchen, das gerade unter den Offizieren kursierte, flocht aber dabei eine Menge Unsinn ein: daß die Tochter des Obersten mir gegenüber nicht gleichgültig sei und daß der Oberst, der mich zum Schwiegersohn haben wolle, mir natürlich jeden meiner Wünsche erfülle ... Kurz, ich will auf Einzelheiten nicht eingehen, aber aus dem Ganzen entstand dann eine sehr verwickelte, sehr häßliche Klatscherei. Diese war nicht von Stepanow ausgegangen, sondern von meinem Burschen, der alles erlauscht und es im Gedächtnis behalten hatte, weil darin eine komische Geschichte vorkam, durch die die junge Dame kompromittiert wurde. Und als nun die Klatscherei herauskam und der Bursche von den Offizieren ins Verhör genommen wurde, da berief er sich auf Stepanow als Zeugen; das heißt, er gab an, ich hätte es Stepanow erzählt. Dieser geriet dadurch in eine peinliche Situation: er konnte keineswegs leugnen, es von mir gehört zu haben, das war Ehrensache. Und da ich in dieser Geschichte zwei Drittel hinzugelogen hatte, so waren die Offiziere empört, und der Regimentskommandeur sah sich genötigt, uns alle bei sich zu versammeln, um in die Sache Klarheit zu bringen. Und da richtete er nun in Gegenwart aller an Stepanow die Frage, ob er das von mir gehört habe oder nicht. Der sagte die volle Wahrheit. Nun, und was tat da ich, der Sprößling eines tausendjährigen Fürstengeschlechtes? Ich leugnete und sagte Stepanow ins Gesicht, er lüge; freilich sagte ich es in höflicher Art und Weise, indem ich mich einer Wendung bediente wie: er habe mich ›falsch verstanden‹ und so weiter ... Ich lasse wieder die Einzelheiten weg, aber der Vorteil meiner Situation bestand darin, daß ich, da Stepanow häufig zu mir gekommen war, die Sache nicht ohne Wahrscheinlichkeit so darstellen konnte, als habe er um gewisser
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