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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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jetzt so miteinander befreundet, und Anna Andrejewna spricht immer so gut von Katerina Nikolajewna ...«
    Ich schwieg immer noch.
    »Und Katerina Nikolajewna hat sich wieder in das gesellschaftliche Leben gestürzt und macht ein Fest nach dem anderen mit; sie ist eine glänzende Erscheinung; es heißt, daß sogar alle Herren am Hof in sie verliebt sind ... aber mit Herrn Bjoring ist alles zu Ende, und aus der Hochzeit wird nichts; das wird allgemein gesagt ... gleich von jenem Vorfall an.«
    Das bedeutete: seit dem Brief Wersilows. Ein Zittern lief mir über den ganzen Leib, aber ich sagte kein Wort.
    »Anna Andrejewna bedauert den Fürsten Sergej Petrowitsch so sehr, und Katerina Nikolajewna ebenfalls, und alle sagen von ihm, er würde freigesprochen, und der andere, dieser Stebelkow, würde verurteilt...«
    Ich sah sie voll Haß an. Sie stand auf und beugte sich plötzlich über mich:
    »Anna Andrejewna hat mir ausdrücklich aufgetragen, mich nach Ihrem Befinden zu erkundigen«, sagte sie, ganz leise flüsternd, »und sie läßt Sie dringend bitten, sobald Sie wieder ausgehen können, doch gleich zu ihr zu kommen. Leben Sie wohl: werden Sie nur recht bald gesund, ich werde ihr alles berichten...«
    Sie ging. Ich setzte mich im Bett aufrecht, kalter Schweiß trat mir auf die Stirn, aber ich empfand keinen Schreck; die mir unbegreifliche, ungeheuerliche Nachricht über Lambert und seine Umtriebe zum Beispiel hatte mir keinerlei Schreck eingejagt, wie man nach der vielleicht ungerechtfertigten Angst hätte glauben können, mit der ich sowohl während meiner Krankheit als auch in den ersten Tagen meiner Genesung an meine Begegnung mit ihm damals in der Nacht zurückgedacht hatte. Vielmehr hielt ich mich in jenem ersten Augenblick der Unklarheit, als ich gleich nach Darja Onissimownas Weggehen auf dem Bett saß, bei dem Gedanken an Lambert gar nicht auf, aber... mich hatte am meisten die Mitteilung über sie ergriffen, über ihren Bruch mit Bjoring, über ihr Glück in der vornehmen Gesellschaft, über ihre glänzenden Erfolge. »Sie ist eine glänzende Erscheinung« – diese Worte Darja Onissimownas klangen mir immer noch in den Ohren. Und ich fühlte auf einmal, daß ich auch unter Aufbietung aller Kraft mich nicht aus diesem Strudel herausarbeiten konnte, obgleich ich soeben verstanden hatte, mich zusammenzunehmen und zu schweigen und an Darja Onissimowna nach ihren erstaunlichen Mitteilungen keine weiteren Fragen zu richten! Ein maßloser Durst nach diesem Leben, nach dem Leben, das diese Menschen führten, benahm mir den Atem, und ... und noch ein anderer wonniger Durst, den ich bis zur Glückseligkeit und bis zu qualvollem Schmerz empfand. Meine Gedanken drehten sich im Wirbel herum, aber ich ließ sie sich drehen... ›Was ist da noch zu überlegen!‹ das warmeine Empfindung. ›Aber sogar Mama hat mir verschwiegen, daß Lambert hergekommen ist‹, dachte ich zusammenhanglos, ›gewiß hat Wersilow ihr befohlen, davon zu schweigen... Ich will lieber sterben, als Wersilow nach Lambert fragen! – Wersilow‹, ging es mir wieder schnell durch den Kopf, ›Wersilow und Lambert, oh, was ist das für eine Neuigkeit! Wersilow ist ein Prachtkerl! Er hat diesem Deutschen, dem Bjoring, mit jenem Brief einen tüchtigen Schreck eingejagt; er hat sie verleumdet; la calomnie... il en reste toujours quelque chose, und der deutsche Höfling hat Angst vor einem Skandal bekommen – haha... und für sie ist es auch eine Lehre! – Lambert ... ist er nicht etwa gar auch schon bis zu ihr vorgedrungen, dieser Lambert? Das fehlte noch! Aber warum sollte sie nicht auch mit ihm in Beziehung treten?‹
    Hier brach ich all diese unsinnigen Gedanken auf einmal ab und ließ voll Verzweiflung meinen Kopf auf das Kissen zurücksinken. »Nein, das soll nicht geschehen!« rief ich mit plötzlicher Entschlossenheit, sprang vom Bett auf, zog die Pantoffeln und den Schlafrock an und ging geradeswegs nach Makar Iwanowitschs Zimmer, als wäre dort eine Schutzwehr gegen alle Versuchungen und ein Rettungsanker, an dem ich mich halten könnte.
    Es ist in der Tat möglich, daß ich diesen Gedanken damals mit aller Kraft meiner Seele empfand; warum wäre ich denn sonst so unaufhaltsam und plötzlich vom Bett aufgesprungen und in solcher Gemütsverfassung zu Makar Iwanowitsch hingestürzt?

III
     
    Aber bei Makar Iwanowitsch traf ich ganz wider Erwarten noch andere Personen an: Mama und den Doktor. Da ich wunderlicherweise während des Hingehens die

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