Der Jüngling
wegzujagen. Alle solchen psychologischen Kapricen alter Jungfern und alter Weiber sind in meinen Augen im höchstenGrade verächtlich und verdienen keinerlei Aufmerksamkeit, und wenn ich mich trotzdem entschlossen habe, diese Geschichte hier vorzutragen, so tue ich es einzig und allein deswegen, weil es dieser Köchin beschieden ist, später, im weiteren Verlauf meiner Erzählung, eine nicht unbedeutende und verhängnisvolle Rolle zu spielen. Also endlich hatte Tatjana Pawlowna denn doch die Geduld verloren, und sie hatte der eigensinnigen Finnin, die ihr schon ein paar Tage lang nicht geantwortet hatte, eine Ohrfeige gegeben, was früher noch nie vorgekommen war. Die Finnin hatte auch da nicht den geringsten Laut hören lassen, war aber gleich an demselben Tage mit einem ehemaligen Schiffsfähnrich namens Osjotrow in Verbindung getreten, der an derselben Hintertreppe unten in einer Schlafstelle wohnte, sich mit allerlei Vertretungen vor Gericht abgab und natürlich im Kampf ums Dasein die Leute zum Prozessieren antrieb. Schließlich war Tatjana Pawlowna vor den Friedensrichter zitiert worden, und auch Wersilow hatte aus irgendeinem Grund bei der Untersuchung der Sache als Zeuge erscheinen müssen.
Das alles erzählte Wersilow außerordentlich munter und scherzhaft, so daß sogar Mama lachte; er stellte sowohl Tatjana Pawlowna als auch den Schiffsfähnrich und die Köchin mit schauspielerischer Kunst dar. Die Köchin hatte dem Gericht gleich von vornherein erklärt, sie beantrage eine Geldstrafe, »denn wenn das gnädige Fräulein sitzen muß, für wen soll ich dann kochen?« Auf die Fragen des Richters hatte Tatjana Pawlowna überaus hochmütig geantwortet und es sogar verschmäht, sich zu verteidigen; vielmehr hatte sie ihre Aussage mit den Worten geschlossen: »Ich habe sie geschlagen und werde sie auch wieder schlagen«, wofür ihr sofort wegen ungebührlicher Antwort vor Gericht eine Geldstrafe von drei Rubeln auferlegt worden war. Der Schiffsfähnrich, ein langaufgeschossener, magerer junger Mensch, hatte angefangen, zur Verteidigung seiner Klientin eine lange Rede zu halten, war aber schmählich aus dem Konzept gekommen und hatte den ganzen Saal zum Lachen gebracht. Die Verhandlung war bald zu Ende, und Tatjana Pawlowna war verurteilt worden, der beleidigten Marja fünfzehn Rubel zu zahlen. Sie hatte unverzüglichihr Portemonnaie herausgeholt und das Geld hingeben wollen, wobei der Schiffsfähnrich sofort herangetreten war und die Hand ausgestreckt hatte, um es in Empfang zu nehmen, aber Tatjana Pawlowna hatte seine Hand beinahe mit einem Stoß weggeschoben und sich an Marja gewandt. »Lassen Sie doch, gnädiges Fräulein, bemühen Sie sich deswegen nicht, schreiben Sie es auf die Rechnung; mit dem hier werde ich schon selbst abrechnen.« – »Nun sieh mal bloß, Marja, was hast du dir da für einen langen Laban genommen!« hatte Tatjana Pawlowna, auf den Schiffsfähnrich zeigend, gesagt; sie hatte sich furchtbar darüber gefreut, daß Marja endlich wieder mit ihr redete. – »Ja, ein langer Laban ist er schon, gnädiges Fräulein«, hatte Marja mit schlauer Miene geantwortet, »haben Sie die Kotelette heute mit Erbsen befohlen? Ich habe vorhin nicht ordentlich hingehört, ich mußte schnell hierher.« – »Ach nein, mit Kohl, Marja, aber bitte, laß sie nicht wieder anbrennen wie gestern.« – »Nein, ich werde mir heute besondere Mühe geben, gnädiges Fräulein; bitte, gestatten Sie mir Ihre Hand!« und sie hatte zum Zeichen der Versöhnung ihrem gnädigen Fräulein die Hand geküßt. Kurz, sie hatte den ganzen Saal erheitert.
»Nein, was ist sie nur für eine!« sagte Mama kopfschüttelnd, sehr zufrieden sowohl mit der Nachricht als auch mit Andrej Petrowitschs Art zu erzählen, aber sie blickte verstohlen und voller Unruhe nach Lisa hin.
»Sie hat schon von klein auf einen starken Charakter gehabt«, sagte Makar Iwanowitsch lächelnd.
»Galle und Müßiggang«, bemerkte der Doktor.
»Bin ich das, die mit dem starken Charakter und mit der Galle und dem Müßiggang?« sagte Tatjana Pawlowna, welche plötzlich zu uns ins Zimmer trat; sie war anscheinend sehr guter Laune. »Aber du, Alexander Semjonowitsch, solltest nicht solchen Unsinn reden; du kennst mich doch schon von der Zeit an, als du erst zehn Jahre alt warst; da wirst du ja gesehen haben, was ich für eine Müßiggängerin bin, und an der Galle behandelst du selbst mich schon ein ganzes Jahr lang und kannst mich nicht gesund machen; du also
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