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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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bist es, der sich da zu schämen hat. Na, nun habt ihr euch wohl genug über mich lustig gemacht; ich danke dir,Andrej Petrowitsch, daß du dich meinetwegen auf das Gericht bemüht hast. Na, und was machst du, Makaruschka; ich bin nur hergekommen, um mich nach dir zu erkundigen, nicht nach dem da« (sie zeigte auf mich, schlug mir aber sofort freundschaftlich mit der Hand auf die Schulter; ich hatte sie noch nie in so heiterer Stimmung gesehen). »Nun, wie steht es mit ihm?« schloß sie, indem sie sich plötzlich mit besorgtem, ernstem Gesicht an den Doktor wandte.
    »Er will sich ja nicht ins Bett legen, und wenn er so aufsitzt, schwächt er nur seine Kräfte.«
    »Aber ich sitze ja nur ein klein bißchen da, wenn Leute hier sind«, murmelte Makar Iwanowitsch mit kindlich bittendem Gesicht.
    »Ja, das haben wir gern, das haben wir gern; wir haben es gar zu gern, wenn die Leute um uns herumsitzen und wir ein bißchen schwatzen können; ich kenne doch meinen Makaruschka«, sagte Tatjana Pawlowna.
    »Na aber, was bist du kribblig«, sagte wieder, zum Doktor gewandt, lächelnd der Alte, »du läßt ja gar nicht mit dir reden; warte einen Augenblick und erlaube, daß ich etwas sage: ich werde mich schon hinlegen, mein Teuerster, ich gehorche schon, aber bei uns pflegt man zu sagen: ›Wenn sich einer hinlegt, steht er am Ende nicht wieder auf‹ – das ist es, mein Freund, was für mich im Hintergrund steht.«
    »Na ja, wußte ich es doch, daß ein Volksaberglaube dahintersteckt: ›Wenn ich mich hinlege, stehe ich am Ende nicht wieder auf‹ – das ist es, was die Leute aus dem Volk sehr oft fürchten, und da wollen sie dann während der Krankheit lieber auf den Beinen bleiben, als sich im Krankenhaus ins Bett legen. Sie aber, Makar Iwanowitsch, haben einfach Sehnsucht, Sehnsucht nach der Freiheit, nach der Landstraße, das ist Ihre ganze Krankheit; Sie haben sich des längeren Wohnens an einem Ort entwöhnt. Sie sind ja ein sogenannter Pilger! Na, und das Vagabundieren wird ja bei unserem Volk beinahe zur Leidenschaft. Das habe ich nicht selten bei Leuten aus dem Volk beobachtet. Unser Volk ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Vagabund.«
    »Also ist Makar deiner Ansicht nach ein Vagabund?« fiel ihm Tatjana Pawlowna ins Wort.
    »Oh, so meine ich es nicht; ich habe den Ausdruck in allgemeinem Sinne gebraucht. Na, er ist ja ein religiöser Vagabund, ein gottesfürchtiger Vagabund, aber doch immerhin ein Vagabund... Ich sage das vom medizinischen Standpunkt aus...«
    »Ich kann Ihnen versichern«, wandte ich mich auf einmal an den Doktor, »daß Vagabunden eher Sie und ich und alle hier Anwesenden genannt zu werden verdienen, aber nicht dieser alte Mann, von dem Sie und ich noch viel lernen können, denn er hat einen festen Halt im Leben, wir aber, so viele wir hier sind, haben keinen festen Halt... Übrigens, wie könnten Sie das verstehen!«
    Ich hatte das offenbar in scharfem Ton gesagt, aber das hatte ich auch gewollt. Ich weiß eigentlich nicht, weshalb ich immer noch dasaß, ich war wie von Sinnen.
    »Was hast du bloß?« fragte Tatjana Pawlowna und sah mich mißtrauisch an. »Na, wie findest du ihn, Makar Iwanowitsch?« fragte sie, indem sie mit dem Finger auf mich zeigte.
    »Gott segne ihn, er ist ein heller Kopf«, erwiderte der Alte mit ernster Miene; aber bei den Worten »ein heller Kopf« fingen fast alle an zu lachen. Ich bezwang mich mit Anstrengung; am lautesten von allen lachte der Doktor. Recht übel war es, daß ich damals nichts von der Verabredung wußte, die sie vorher getroffen hatten. Wersilow, der Doktor und Tatjana Pawlowna hatten sich schon vor drei Tagen verabredet, Mama mit aller Macht von den schlimmen Ahnungen und Befürchtungen hinsichtlich Makar Iwanowitschs abzubringen, dessen Zustand viel schlimmer und hoffnungsloser war, als ich damals vermutete. Dies war der Grund, weshalb alle Scherze machten und sich Mühe gaben zu lachen. Nur war der Doktor dumm und verstand es natürlich nicht, Scherze zu machen: daher kam denn danach auch die ganze Geschichte. Wenn ich ebenfalls von ihrer Verabredung Kenntnis gehabt hätte, so hätte ich den Skandal, der sich zutrug, nicht hervorgerufen. Lisa wußte auch nichts davon.
    Ich saß da und hörte nur mit halbem Ohr zu; sie redeten und lachten, ich aber hatte Darja Onissimowna mit ihren Nachrichten im Kopf und konnte die Vorstellung von dieserPerson nicht loswerden; es war mir immer, als säße sie noch vor mir und sähe mich an und stünde

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