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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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beteiligen sie sich dabei. Tatjana Pawlowna und Anna Andrejewna sind jetzt miteinander sehr befreundet.«
    Das war eine Neuigkeit. Sie war, während sie so sprach, ordentlich lebhaft geworden. Ich sah sie voller Haß an.
    »Sie sind ja seit dem letztenmal, wo Sie bei mir waren, viel munterer geworden.«
    »Ach ja.«
    »Sie sind auch voller geworden, wie mir scheint?«
    Sie blickte mich mit einem seltsamen Ausdruck an:
    »Ich habe sie sehr liebgewonnen, sehr lieb.«
    »Wen meinen Sie?«
    »Nun, Anna Andrejewna. Sehr lieb habe ich sie gewonnen. Ein so vornehm denkendes Mädchen und so verständig...«
    »Gewiß. Was macht sie denn? Wie geht es ihr jetzt?«
    »Sie ist sehr ruhig, sehr ruhig.«
    »Ruhig war sie immer schon.«
    »Jawohl, immer schon.«
    »Wenn Sie hergekommen sind, um mir Klatschgeschichten zu erzählen«, rief ich plötzlich, da ich mich nicht mehr beherrschen konnte, »so muß ich Ihnen sagen, daß ich mich in nichts einmenge; ich habe mich entschlossen, alles und alle im Stich zu lassen, mir ist alles gleich, ich gehe fort! ...«
    Ich verstummte, da ich zur Besinnung kam. Es schien mir unwürdig, daß ich ihr gewissermaßen meine neuen Pläne enthüllte. Sie ihrerseits hatte mich ohne Erstaunen und ohne Erregung angehört, aber nun folgte wieder ein längeres Stillschweigen. Auf einmal stand sie auf, ging zur Tür und warf einen Blick ins Nebenzimmer. Nachdem sie sich davon überzeugt hatte, daß sich dort niemand befand und wir ganz allein waren, kehrte sie mit der größten Ruhe zurück und setzte sich wieder auf ihren früheren Platz.
    »Das haben Sie gut gemacht!« sagte ich lachend.
    »Werden Sie Ihre Wohnung bei der Beamtenfamilie behalten?« fragte sie auf einmal, indem sie sich ein wenig zu mir vorbeugte und die Stimme senkte, als ob das die wichtigste Frage wäre, diejenige Frage, um derentwillen sie gekommen sei.
    »Die Wohnung? Das weiß ich noch nicht. Vielleicht ziehe ich auch aus ... Wie soll ich das jetzt schon wissen?«
    »Ihre Wirtsleute erwarten Sie sehr; jener Beamte ist schon ganz ungeduldig und seine Frau ebenfalls. Andrej Petrowitsch hat ihnen versichert, Sie würden bestimmt wiederkommen.«
    »Inwiefern interessiert Sie denn das?«
    »Anna Andrejewna wollte es auch gern wissen; sie war sehr zufrieden, als sie hörte, daß Sie wohnen bleiben.«
    »Aber woher weiß sie denn so bestimmt, daß ich in jener Wohnung wohnen bleiben werde?«
    Ich wollte schon hinzufügen: »Und inwiefern interessiert sie das?«, aber ich unterdrückte diese Frage aus Stolz.
    »Auch Herr Lambert hat ihr das ebenfalls versichert.«
    »Wa–a–as?«
    »Herr Lambert. Er hat Andrej Petrowitsch ganz entschieden versichert, Sie würden wohnen bleiben, und auch Anna Andrejewna gegenüber hat er diese Versicherung abgegeben.«
    Es ging mir geradezu ein Schütteln durch den ganzen Körper. Was waren das für wundersame Dinge! Also Lambert war schon mit Wersilow bekannt geworden, schon mit ihm in Beziehung getreten – Lambert und Anna Andrejewna – er war auch zu ihr schon vorgedrungen! Eine fliegende Hitze überkam mich, aber ich schwieg. Ein gewaltigesGefühl des Stolzes durchflutete meine ganze Seele – des Stolzes oder was es sein mochte. Aber ich sagte mir in jenem Augenblick: ›Wenn ich auch nur ein Wort der Erklärung verlange, so knüpfe ich wieder mit dieser Welt an und werde mich nie von ihr losmachen können.‹ Ein heftiger Haß loderte in meinem Herzen auf. Ich nahm mir vor, mich mit Gewalt zum Schweigen zu zwingen, und lag da, ohne mich zu rühren; sie schwieg ebenfalls eine ganze Minute lang.
    »Was macht Fürst Nikolai Iwanowitsch?« fragte ich plötzlich, als hätte ich den Verstand verloren. Die Sache war die, daß ich nur gefragt hatte, um das Thema zu wechseln, aber von neuem unversehens eine höchst bedeutungsvolle Frage gestellt hatte und dadurch wie ein Irrsinniger von selbst wieder in jene Welt zurückgekehrt war, aus der zu entfliehen ich soeben mit krampfhafter Anstrengung beschlossen hatte.
    »Er ist in Zarskoje Selo. Er fühlte sich ein wenig unwohl, und in der Stadt herrscht doch jetzt das Fieber; da haben ihm alle geraten, nach Zarskoje Selo überzusiedeln, in das eigene Haus, das er dort besitzt; da ist die Luft doch besser.«
    Ich antwortete nicht.
    »Anna Andrejewna und die Generalin besuchen ihn alle drei Tage, sie fahren immer zusammen hin.«
    Anna Andrejewna und die Generalin (das heißt sie ) – waren Freundinnen! Sie fuhren zusammen hin! Ich schwieg.
    »Sie haben sich

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