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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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Stimme und in scharfem Ton:
    »Makar Iwanowitsch, Sie haben wieder den Ausdruck ›edle Schönheit‹ gebraucht, und ich habe mich gerade gestern und alle diese Tage mit diesem Ausdruck gequält ... und überhaupt habe ich mich mein ganzes Leben lang gequält, nur habe ich früher nicht gewußt, weswegen. Dieses Zusammentreffen der Ausdrücke halte ich für eine Fügung des Schicksals, beinahe für ein Wunder. Ich spreche das in Ihrer Gegenwart aus ...«
    Aber ich wurde sofort unterbrochen. Ich bemerke noch einmal: ich wußte nichts von ihrer Verabredung hinsichtlich Mamas und Makar Iwanowitschs; und von mir glaubten sie natürlich auf Grund früherer Erfahrungen, daß ich zu jedem derartigen Skandal fähig sei.
    »Bringt ihn zum Schweigen, bringt ihn zum Schweigen!« schrie Tatjana Pawlowna voller Wut. Mama zitterte. Makar Iwanowitsch bekam, als er das allgemeine Erschrecken sah, selbst einen Schreck.
    »Arkadij, hör auf!« rief Wersilow ernst.
    »Für mich, meine Herrschaften«, fuhr ich noch lauter fort, »für mich ist es geradezu ein häßlicher Anblick, Sie alle neben diesem kleinen Kind« (ich wies auf Makar hin) »zu sehen. Hier ist nur eine Heilige - das ist Mama, aber auch die ...«
    »Sie erschrecken ihn!« sagte der Doktor nachdrücklich.
    »Ich weiß, daß ich der ganzen Welt feindlich gegenüberstehe«, stammelte ich (oder etwas in dieser Art); aber nachdemich noch einmal rings um mich geschaut hatte, richtete ich einen herausfordernden Blick auf Wersilow.
    »Arkadij!« rief er wieder, »eine ganz ebensolche Szene hat hier schon einmal zwischen uns stattgefunden. Ich bitte dich inständig, beherrsche dich jetzt!«
    Ich kann nicht beschreiben, mit was für einer tiefen Empfindung er das sagte. Eine große, aufrichtige, schmerzliche Traurigkeit prägte sich auf seinem Gesicht aus. Das erstaunliche war aber dabei, daß er wie schuldbewußt aussah: ich war der Richter und er der Verbrecher. Alles das brachte mich um den Rest meiner Vernunft.
    »Ja!« schrie ich ihm zur Antwort zu, »eine ganz ebensolche Szene fand statt, als ich Wersilow begrub und aus meinem Herzen riß ... Aber damals folgte eine Auferstehung von den Toten, jetzt jedoch ... jetzt wird es keinen neuen Morgen mehr geben! Aber ... aber ihr alle hier werdet sehen, wozu ich fähig bin: ihr ahnt nicht einmal, was ich euch beweisen kann!«
    Nach diesen Worten stürzte ich davon, auf mein Zimmer. Wersilow lief mir nach ...

V
     
    Ich bekam einen Rückfall; es trat ein überaus heftiger Fieberanfall ein, und in der Nacht redete ich irre. Aber das tat ich nicht die ganze Nacht hindurch: dazwischen hatte ich auch zahllose Träume, eine lange Kette, die gar nicht aufhören wollte. Von diesen Träumen hat sich einer oder wenigstens das Bruchstück eines Traumes meinem Gedächtnis für das ganze Leben eingeprägt. Ich teile ihn hier ohne jeden Kommentar mit; er war prophetisch, und ich kann ihn nicht weglassen.
    Ich befand mich plötzlich mit irgendeiner großen, stolzen Absicht im Herzen in einem geräumigen, hohen Zimmer, aber nicht bei Tatjana Pawlowna; ich erinnere mich an das Zimmer sehr genau, was ich hier im voraus bemerke. Aber obgleich ich allein war, hatte ich trotzdem ununterbrochen das beunruhigende, qualvolle Gefühl, daß ich doch nicht allein sei, daß ich erwartet würde, und daß man von mir etwas erwartete. Irgendwo hinter der Tür saßen Leute und warteten, was ich tun würde. Es war ein unerträgliches Gefühl:›O wäre ich doch allein!‹ Und auf einmal trat sie herein. Sie sah schüchtern aus, sie fürchtete sich gewaltig, sie blickte mir in die Augen. In meiner Hand hatte ich jenes Schriftstück . Sie lächelte, um mich in ihre Bande zu schlagen, sie schmeichelte mir; ich bemitleidete sie, aber ich begann einen starken Widerwillen zu empfinden. Plötzlich bedeckte sie ihr Gesicht mit den Händen. Ich warf das Schriftstück auf den Tisch und sagte mit unbeschreiblicher Verachtung: »Bitten Sie mich nicht erst darum, da ist es, ich wünsche von Ihnen nichts! Ich räche mich für allen mir angetanen Schimpf durch Verachtung!« Ich verließ das Zimmer, fast erstickend an meinem maßlosen Stolz. Aber an der Tür, im Dunkeln, bekam mich Lambert zu fassen! »Schafskopf, Schafskopf!« flüsterte er mir nachdrücklich zu, indem er mich an der Hand festhielt, »sie wird auf der Wassilij-Insel ein Pensionat für adlige junge Mädchen einrichten müssen« (NB - das heißt: um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, wenn ihr Vater durch

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