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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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mich von dem Schriftstück Kenntnis erhalten, sie enterbt und aus dem Hause gejagt haben würde. Ich schreibe Lamberts Worte buchstäblich her, so wie ich sie geträumt habe).
    »Arkadij Makarowitsch sucht die ›edle Schönheit‹«, hörte ich Anna Andrejewnas Stimme irgendwo nahebei, ebendort auf der Treppe, aber ihre Worte klangen nicht wie ein Lob, sondern wie unerträglicher Spott. Ich kehrte mit Lambert in das Zimmer zurück. Aber als sie Lambert erblickte, fing sie plötzlich an zu lachen. Meine erste Empfindung war ein furchtbarer Schreck, ein solcher Schreck, daß ich stehenblieb und nicht näher treten wollte. Ich sah sie an und traute meinen Augen nicht; es war, als hätte sie plötzlich eine Maske von ihrem Gesicht genommen: es waren dieselben Züge, aber jeder Zug war gewissermaßen zu maßloser Frechheit entstellt. »Den Kaufpreis, gnädige Frau, den Kaufpreis!« schrie Lambert, und nun lachten sie beide noch ärger; mir aber wollte das Herz aufhören zu schlagen: »Oh, ist diese schamlose Person wirklich dieselbe Frau, von der ein Blick ausreichte, um mein Herz von tugendhaften Empfindungen erglühen zu lassen?«
    »Da sieht man es, wozu sie um des Geldes willen fähig sind, diese stolzen Leute aus den höchsten Kreisen!« riefLambert. Aber das schamlose Weib ließ sich nicht einmal durch diese Worte in Verlegenheit bringen; sie lachte nämlich darüber, daß ich so erschrocken war. Oh, sie war bereit, den Kaufpreis zu zahlen, das sah ich, und ... und was ging mit mir vor? Ich fühlte weder Mitleid noch Ekel mehr; ich zitterte wie noch nie in meinem Leben ... Ein neues, unbeschreibliches Gefühl bemächtigte sich meiner, ein Gefühl, wie ich es überhaupt noch nie gekannt hatte, ein Gefühl, stark wie die ganze Welt ... Oh, jetzt war ich nicht mehr imstande, fortzugehen, um keinen Preis! Oh, wie es mir gefiel, daß sie so schamlos war! Ich ergriff ihre beiden Hände, die Berührung ihrer Hände erschütterte mich qualvoll, und ich näherte meinen Mund ihren frechen, roten, vor Lachen zitternden Lippen, die mich riefen.
    Oh, hinweg mit dieser unwürdigen Erinnerung! Verfluchter Traum! Ich schwöre, daß vor diesem abscheulichen Traum in meinem Geist kein Gedanke vorhanden gewesen ist, der diesem schändlichen Gedanken auch nur im entferntesten ähnlich gewesen wäre. Nicht einmal unwillkürlich war eine solche Vorstellung in meiner Einbildungskraft entstanden (obgleich ich das Schriftstück in der Tasche eingenäht trug und manchmal mit einem seltsamen Lächeln nach der Tasche fühlte). Woher kam es denn nun, daß dies alles auf einmal in völlig fertiger Gestalt vor mein geistiges Auge trat? Das kam daher, daß in mir die Seele einer Spinne steckte! Das bedeutet, daß dies alles schon längst in meinem unsittlichen Herzen geboren war und dort lag, daß es in meinen Wünschen lag, daß aber das Herz sich im wachen Zustand noch schämte und der Verstand es noch nicht wagte, sich etwas Ähnliches mit Bewußtsein vorzustellen. Aber im Traum stellte meine Seele selbst alles, was in meinem Herzen war, vor mich hin und breitete es vor mir aus, in vollkommener Deutlichkeit, in einem ganz klaren Bild und - in prophetischer Form. Und war es wirklich das gewesen, was ich ihnen hatte beweisen wollen, als ich am Vormittag aus Makar Iwanowitschs Zimmer hinausgelaufen war? Aber genug jetzt, vorläufig nichts weiter davon! Dieser Traum, den ich hatte, ist eines der merkwürdigsten Ereignisse meines Lebens.

Drittes Kapitel
     
I
     
    Nach drei Tagen stand ich am Morgen vom Bett auf und hatte, als ich mich auf die Füße stellte, auf einmal die Empfindung, daß ich nun nicht mehr liegen müsse. Ich fühlte ganz deutlich, daß meine Genesung nahe war. Alle diese kleinen Einzelheiten würden es vielleicht nicht verdienen, aufgezeichnet zu werden, aber es kamen damals für mich ein paar Tage, die, wenn auch an ihnen nichts Besonderes vorging, mir doch alle als besonders erquickend und ruhig im Gedächtnis geblieben sind, und das ist in meinen Erinnerungen eine Seltenheit. Meinen Gemütszustand genauer darzulegen, beabsichtige ich vorläufig nicht; wenn der Leser erführe, wie es sich damit verhielt, würde er es gewiß nicht glauben. Das alles wird sich nachher besser aus den Tatsachen erklären. Einstweilen aber sage ich nur das eine: möge der Leser an die Spinnenseele denken! Und eine solche Seele hatte ein Mensch, der von den Seinen und von der ganzen Welt um der »edlen Schönheit« willen weggehen wollte! Der Durst

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