Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
Vom Netzwerk:
hohen Alters und seines krankhaften Zustandes setzte.
    »Er ist nicht mehr das, was er früher war«, flüsterte mir Wersilow einmal zu, »er war früher doch nicht ganz so. Er wird bald sterben, weit schneller, als wir es denken, und man muß sich darauf gefaßt machen.«
    Ich habe vergessen zu sagen, daß sich bei uns eine Art von Abendgesellschaften herausgebildet hatte. Außer Mama, die nicht von Makar Iwanowitschs Seite wich, kam auch Wersilow abends immer in dessen Stübchen; auch ich kam stets, und ich wußte auch nicht, wo ich sonst hätte bleiben sollen. In den letzten Tagen stellte sich auch Lisa fast immer ein, obwohl sie später erschien als die andernund immer fast stumm dasaß. Ferner war auch Tatjana Pawlowna regelmäßig zugegen und gelegentlich auch der Doktor. Mit dem Doktor war ich (das hatte sich auf einmal so ergeben) zu einem besseren Verhältnis gelangt; allerdings nicht zu einem sehr guten, aber wenigstens gab es nicht mehr die früheren heftigen Angriffe. Mir gefiel das einfache Wesen, das ich schließlich an ihm zu würdigen gelernt hatte, und eine gewisse Anhänglichkeit, die er unserer Familie bewies, so daß ich endlich beschloß, ihm seinen ärztlichen Hochmut zu verzeihen; und außerdem lehrte ich ihn, sich wenigstens die Hände zu waschen und die Nägel zu reinigen, wenn er schon nicht dazu zu bewegen war, reine Wäsche zu tragen. Ich setzte ihm auseinander, daß das mit Geckenhaftigkeit und Eleganz nichts zu tun habe, wohl aber Reinlichkeit naturgemäß zum Handwerk des Arztes gehöre, und bewies ihm das. Schließlich kam auch Lukerja häufig aus ihrer Küche an die Tür und hörte, hinter der Tür stehend, zu, wie Makar Iwanowitsch erzählte. Wersilow rief sie einmal hinter der Tür hervor und forderte sie auf, sich zu uns zu setzen. Mir gefiel das; aber sie kam seitdem nicht mehr an die Tür. Sie hatte eben ihre eigenen Sitten!
    Ich setze eine seiner Erzählungen, die ich wahllos herausgreife, hierher, einzig deswegen, weil ich sie am besten im Gedächtnis behalten habe. Es ist dies eine Geschichte von einem Kaufmann, und ich glaube; daß solche Geschichten sich in unseren Städten und Städtchen zu Tausenden ereignen; man muß nur verstehen, sie zu sehen. Wer es wünscht, kann diese Geschichte überschlagen, um so mehr, als ich sie in seinem Stil erzählen werde.

IV
    Bei uns in der Stadt Afimjewsk, da hat sich eine wunderbare Geschichte zugetragen, die ich jetzt erzählen werde. Es lebte da ein Kaufmann, er hieß Skotoboinikow, Maxim Iwanowitsch, und es war niemand in der ganzen Gegend reicher als er. Er hatte eine Kattunfabrik angelegt und beschäftigte einige Hundert Arbeiter, und er dünkte sich wer weiß was. Und man muß sagen, daß alles nach seinemKopf ging, und selbst die Obrigkeit war ihm in keiner Sache hinderlich, und der Archimandrit bedankte sich bei ihm für seinen Eifer: denn er spendete dem Kloster sehr viel, und wenn es ihm einmal einfiel, so seufzte er sehr um seine Seele und machte sich nicht wenig Sorge um das zukünftige Leben. Er war Witwer und kinderlos; von seiner Frau erzählte man, er habe sie schon im ersten Jahre der Ehe geprügelt, wie er denn überhaupt von klein auf immer gern dreingeschlagen habe; aber das war schon lange her; sich aber von neuem durch eine Heirat zu binden, dazu hatte er keine Lust. Auch für das Trinken hatte er eine Schwäche, und wenn er so seine Trinkperiode hatte, lief er in seiner Betrunkenheit nackt durch die Stadt und vollführte ein großes Geschrei: es ist ja keine feine Stadt, aber ein solches Benehmen war doch anstößig. Wenn das aber wieder vorbei war, dann wurde er zornig, und alles, was er sagte, war gut, und alles, was er befahl, war schön. Seinen Leuten aber zahlte er den Lohn ganz nach seinem Belieben; er nahm das Rechenbrett vor und setzte die Brille auf: »Nun, Foma, wieviel bekommst du?« – »Seit Weihnachten habe ich nichts bekommen, Maxim Iwanowitsch; neununddreißig Rubel habe ich gut.« – »Ach was, soviel Geld! Das ist zuviel für dich; du bist vom Kopf bis zu den Füßen nicht so viel wert, das paßt gar nicht zu dir; zehn Rubel zieh ich dir ab, neunundzwanzig sollst du haben.« Und der Mann schwieg dazu, denn niemand wagte zu mucksen, alle schwiegen sie.
    »Ich weiß schon«, sagte er, »wieviel ich einem jeden zu geben habe. Mit dem hiesigen Volk kann man nicht anders verfahren. Das hiesige Volk ist liederlich: ohne mich würden sie hier alle vor Hunger krepieren, so viel ihrer sind. Und ferner,

Weitere Kostenlose Bücher