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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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will es nicht wissen.« In diesem Augenblick aber wußte ich Lamberts Adresse bereits durch Lisa, die ich eigens gebeten hatte, sich auf demAdreßbüro danach zu erkundigen. Dieses Vorgehen Anna Andrejewnas erschien mir nun doch allzu energisch, ja zynisch: obwohl ich mich geweigert hatte, ihr behilflich zu sein, schickte sie mich, als ob sie meinen Worten nicht den geringsten Glauben schenkte, geradeswegs zu Lambert. Es war mir ganz klar, daß sie über das Schriftstück bereits vollständig orientiert war, und von wem anders konnte sie es erfahren haben als von Lambert, zu dem sie mich deshalb auch hinschickte, damit ich mit ihm alles verabreden möchte.
    ›Sie halten mich entschieden alle ohne Ausnahme für einen grünen Jungen ohne eigenen Willen und ohne festen Charakter und meinen, mit mir alles machen zu können‹, dachte ich empört.

II
     
    Nichtsdestoweniger ging ich zu Lambert. Wo hätte ich auch sonst die Neugierde, die ich empfand, stillen können? Lambert wohnte, wie sich herausgestellt hatte, sehr weit entfernt, in der Kossoi-Gasse beim Sommergarten, immer noch in denselben möblierten Zimmern; aber damals, als ich von ihm weglief, hatte ich so wenig auf den Weg und die Entfernung geachtet, daß, als Lisa mir vier Tage zuvor seine Adresse mitteilte, ich ganz erstaunt war und es beinahe nicht glauben wollte, daß er dort wohnte. An der Tür zu den möblierten Zimmern, in der dritten Etage, bemerkte ich, während ich noch die Treppe hinaufstieg, zwei junge Männer und dachte, sie hätten wohl vor mir geklingelt und warteten darauf, daß geöffnet würde. Während ich hinaufstieg, standen sie beide mit dem Rücken zur Tür da und betrachteten mich angelegentlich. ›Da gibt es möblierte Zimmer, die beiden werden gewiß zu einem andern Mieter wollen‹, dachte ich bei mir, als ich mich ihnen mit finsterem Gesicht näherte. Es wäre mir sehr unangenehm gewesen, bei Lambert jemand zu treffen. Indem ich es vermied, sie anzusehen, streckte ich die Hand nach dem Klingelgriff aus.
    »Attendez!« rief mir der eine zu.
    »Bitte warten Sie noch mit dem Klingeln!« sagte der andere junge Mensch mit wohlklingender, angenehmerStimme; er zog beim Reden die Worte ein wenig in die Länge. »Wir sind hier gleich fertig und klingeln dann alle zusammen, ist es Ihnen recht?«
    Ich hielt inne. Beide waren noch sehr junge Leute, etwa zwanzig oder zweiundzwanzig Jahre alt; sie beschäftigten sich dort an der Tür mit etwas sehr Sonderbarem, und ich suchte erstaunt daraus klug zu werden. Derjenige, welcher »Attendez!« gerufen hatte, war ein sehr hochaufgeschossener Bursche, mindestens zehn Werschok, hager und ausgemergelt, aber sehr muskulös, mit einem für seine Statur sehr kleinen Kopf und einem komisch-düsteren Ausdruck auf dem etwas pockennarbigen, aber ziemlich klugen und sogar angenehmen Gesicht. Seine Augen hatten einen Blick von auffallender Starrheit und ganz unnötiger, überflüssiger Energie. Seine Kleidung war sehr schäbig: er trug einen alten wattierten Mantel mit einem kleinen, ausgehaarten Kragen von Schuppenpelz (der Mantel war für seine Gestalt zu kurz und offenbar für eine andere Person angefertigt), häßliche, beinahe bäuerische Stiefel und einen schrecklich verbeulten, fuchsig gewordenen Zylinderhut. Der ganze Mensch machte den Eindruck eines Schmutzfinken: die handschuhlosen Hände waren unsauber, und die langen Nägel wiesen Trauerränder auf. Im Gegensatz zu ihm war sein Kamerad stutzerhaft gekleidet; das sah man an seinem leichten Iltispelz, an seinem eleganten Hut und an den neuen, hellen Handschuhen, in denen seine schlanken Finger steckten; an Körpergröße kam er mir ungefähr gleich, aber sein frisches, jugendliches Gesicht trug einen außerordentlich liebenswürdigen Ausdruck.
    Der lange Bursche war dabei, sich die Krawatte abzubinden, ein ganz zerlumptes, schmieriges Band oder schon mehr eine Art Strippe; der nette junge Mensch aber zog eine andere, neue, eben gekaufte, schwarze Krawatte aus der Tasche und bemühte sich, sie dem langen Burschen umzubinden, der ihm gehorsam und mit ernstem Gesicht seinen sehr langen Hals hinreckte und dabei den Mantel von den Schultern zurückschlug.
    »Nein, bei einem so schmutzigen Hemd geht das nicht«, sagte der mit dem Umbinden Beschäftigte, »es macht nicht nur keinen schönen Effekt, sondern das Ganze sieht nochschmutziger aus. Ich hatte dir doch gesagt, du solltest dir einen reinen Kragen umbinden ... Ich bekomme es nicht zurecht ...

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