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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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Verstehen Sie es vielleicht?« wandte er sich plötzlich an mich.
    »Was denn?« fragte ich.
    »Sehen Sie hier, ihm die Krawatte umzubinden. Wissen Sie, man muß es irgendwie so einrichten; daß sein schmutziges Hemd nicht zu sehen ist; sonst geht unfehlbar der ganze Effekt verloren. Ich habe ihm eben eigens eine Krawatte beim Friseur Philippe gekauft, für einen Rubel.«
    »Für jenen Rubel?« murmelte der Lange.
    »Ja, für jenen Rubel; jetzt habe ich keine Kopeke mehr. Also Sie verstehen es auch nicht? Dann werden wir Alfonsinka bitten müssen.«
    »Zu Lambert?« fragte mich der Lange auf einmal in scharfem Ton.
    »Ja, ich will zu Lambert«, antwortete ich ihm nicht minder energisch und sah ihm gerade ins Gesicht.
    »Dolgorowky?« fragte er in demselben Ton und ebenso laut weiter.
    »Nein, ich heiße nicht Korowkin«, antwortete ich ebenso scharf; ich hatte falsch gehört.
    »Dolgorowky?« wiederholte der Lange beinahe schreiend und trat fast drohend auf mich zu. Sein Kamerad fing an zu lachen.
    »Er sagt Dolgorowky, nicht Korowkin«, bemerkte er erklärend. »Wissen Sie, die Franzosen im Journal des Débats verdrehen oft die russischen Namen ...«
    »In der Indépendance«, brummte der Lange.
    »... Na meinetwegen auch in der Indépendance. Für Dolgorukij zum Beispiel schreiben sie Dolgorowky, das habe ich selbst gelesen, und den Grafen W. nennen sie immer comte Wallonieff.«
    »Doboyny!« schrie der Lange.
    »Ja, da ist auch noch ein gewisser Doboyny; ich habe es selbst gelesen, und wir haben beide darüber gelacht: eine russische madame Doboyny im Ausland ... aber sag mal, wozu reden wir von denen allen?« wandte er sich plötzlich an den Langen.
    »Entschuldigen Sie, sind Sie Herr Dolgorukij?«
    »Ja, mein Name ist Dolgorukij; aber woher wissen Sie das?«
    Der Lange flüsterte dem netten jungen Mann etwas ins Ohr; dieser runzelte die Stirn und machte eine verneinende Gebärde; aber der Lange wandte sich auf einmal an mich:
    »Monsieur le prince, vous n'avez pas de rouble d'argent pour nous, pas deux, mais un seul, voulez-vous?«
    »Ach, was bist du für ein gräßlicher Mensch!« rief der Jüngere.
    »Nous vous rendons«, schloß der Lange; er sprach die französischen Worte in plumper, ungeschickter Manier aus.
    »Wissen Sie, er ist ein Satiriker«, sagte der Jüngere lachend zu mir. »Sie meinen wohl, er könne kein Französisch? Er spricht wie ein Pariser; er äfft nur die Russen nach, die in Gesellschaft leidenschaftlich gern miteinander französisch sprechen, ohne es zu können ...«
    »Dans les wagons«, fügte der Lange zur Erklärung hinzu.
    »Na ja, auch in den Bahnwagen: ach, was bist du für ein langweiliger Geselle! Wozu diese Erklärung. Eine wunderliche Passion, sich dumm zu stellen!«
    Ich hatte unterdes einen Rubel hervorgeholt und reichte ihn dem Langen hin.
    »Nous vous rendons«, sagte er, indem er den Rubel einsteckte; dann wandte er sich plötzlich zur Tür und machte sich mit völlig unbewegtem, ernstem Gesicht und vor allen Dingen ohne die geringste Spur von Erregung daran, mit der Spitze seines riesigen, derben Stiefels dagegen zu hämmern.
    »Ach, du wirst wieder mit Lambert Zank bekommen«, bemerkte der Jüngere beunruhigt. »Bitte klingeln Sie lieber!«
    Ich klingelte, aber der Lange fuhr dennoch fort, mit dem Stiefel zu hämmern.
    »Ah, sacré ...«, ließ sich plötzlich Lamberts Stimme hinter der Tür vernehmen, die er schnell öffnete.
    »Dites donc, voulez-vous que je vous casse la tête, mon ami?« schrie er den Langen an.
    »Mon ami, voilà Dolgorowky, l'autre mon ami«, erwiderte der Lange in würdevollem, ernstem Ton und sahdabei Lambert unverwandt an, der vor Zorn ganz rot geworden war. Sowie dieser mich erblickte, änderte sich sein ganzes Wesen wie mit einem Schlag.
    »Du bist da, Arkadij! Endlich! Na, also bist du wieder gesund, endlich wieder gesund?«
    Er ergriff meine beiden Hände und drückte sie mir kräftig; kurz, er bekundete ein so aufrichtiges Entzücken, daß ich mich sogleich davon sehr angenehm berührt fühlte und sogar ein Gefühl der Zuneigung zu ihm verspürte.
    »Du bist der erste, zu dem ich komme!«
    »Alphonsine!« rief Lambert.
    Diese kam sofort hinter dem Bettschirm hervorgesprungen.
    »Le voilà!«
    »C'est lui!« rief Alfonsina, schlug die Hände zusammen und wollte, nachdem sie die Arme wieder auseinandergebreitet hatte, auf mich zustürzen, um mich zu umarmen, aber Lambert beschützte mich.
    »Nein, nein, nein, tout beau!« rief er ihr wie

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