Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
Vom Netzwerk:
von mir getanen Schritt zu richten! Und wenn nun da die hinterlistigste, schmutzigste Intrige eingefädelt wird und die eigene Tochter eine Verschwörung anstiftet, um den vertrauensvollen, großmütigen Vater zugrunde zu richten, darf man das etwa hinnehmen? Nein, und wenn ich selbst meinen guten Ruf dadurch zerstören sollte, ich will den edlen Mann retten! Ich bin bereit, bei ihm einfach als seine Wärterin zu leben, seine Hüterin und Pflegerin zu sein, aber ich werde nicht zulassen, daß die kalte, weltliche, garstige Berechnung triumphiert!«
    Sie hatte außerordentlich lebhaft gesprochen, und diese Lebhaftigkeit war höchstwahrscheinlich zur Hälfte gekünstelt, dabei aber doch echt, da es klar war, wie sehr ihrdie Sache am Herzen lag. Oh, ich fühlte es, daß sie log (wenn auch ehrlich, denn man kann auch ehrlich lügen) und daß sie jetzt schlecht war; aber es ist erstaunlich, wie es einem mit den Frauen geht: dieser äußere Anstand, diese höheren Umgangsformen, diese unnahbare Höhe der Vornehmheit und diese stolze Keuschheit, all das hatte die Wirkung, mich in Verwirrung zu setzen, und ich begann ihr in jeder Hinsicht zuzustimmen, das heißt, solange ich bei ihr saß; wenigstens brachte ich es nicht fertig, ihr zu widersprechen. Oh, der Mann befindet sich einer Frau gegenüber geradezu im Zustand geistiger Sklaverei, namentlich wenn er ein hochherziger Mann ist! So eine Frau kann ihn überreden, wozu sie will. ›Sie und Lambert mein Gott!‹ dachte ich und blickte sie verständnislos an. Übrigens will ich alles offen sagen: ich bin selbst heute noch nicht imstande, sie zu verurteilen; ihre Gefühle konnte in der Tat nur Gott sehen, und zudem ist der Mensch eine so komplizierte Maschine, daß man in manchen Fällen nicht daraus klug wird, und besonders, wenn dieser Mensch auch noch eine Frau ist.
    »Was erwarten Sie eigentlich von mir, Anna Andrejewna?« fragte ich aber doch in ziemlich energischem Ton.
    »Wie? Was bedeutet diese Frage, Arkadij Makarowitsch?«
    »Es scheint mir nach allem ... und auf Grund einiger anderer Erwägungen ...«, erwiderte ich stockend und verlegen, »daß Sie mich haben rufen lassen, weil Sie etwas von mir erwarten; also was denn nun eigentlich?«
    Ohne auf meine Frage zu antworten, fing sie sogleich wieder ebenso schnell und lebhaft wie vorher an zu reden:
    »Aber es ist mir nicht möglich, ich bin zu stolz, um mich mit unbekannten Personen wie diesem Herrn Lambert in Erörterungen und Abmachungen einzulassen. Ich habe auf Sie gewartet und nicht auf Herrn Lambert. Meine Lage ist schrecklich, sie ist ganz verzweifelt, Arkadij Makarowitsch! Von den Ränken dieser Frau rings umgeben, sehe ich mich gezwungen, mit List zu verfahren – und das ist mir unerträglich. Ich erniedrige mich fast dazu zu intrigieren und habe auf Sie wie auf einen Erlöser gewartet. Man kann mich nicht dafür schelten, daß ich sehnsüchtig Umschauhalte, um wenigstens einen Freund zu finden, und daher konnte ich nicht anders als mich darüber freuen, daß ich einen Freund hatte: der Mann, der sogar in jener Nacht, beinahe erfroren, meiner gedachte und immer nur meinen Namen wiederholte, der ist mir gewiß treu ergeben. So habe ich diese ganze Zeit über gedacht, und darum habe ich auf Sie gehofft.«
    Sie sah mir in die Augen, als warte sie ungeduldig auf meine Antwort. Und siehe da, es mangelte mir wieder an Mut, sie zu enttäuschen und ihr geradeheraus zu sagen, daß Lambert sie belogen habe und daß ich ihm damals ganz und gar nicht gesagt hätte, ich sei ihr so besonders ergeben, und ganz und gar nicht immer nur ihren Namen genannt hätte. So bekräftigte ich gewissermaßen durch mein Stillschweigen Lamberts Lüge. Oh, sie selber (davon bin ich überzeugt) wußte ja recht gut, daß Lambert übertrieben und sie sogar einfach belogen hatte, nur um einen anständig aussehenden Vorwand zu haben, unter dem er zu ihr kommen und Beziehungen zu ihr anknüpfen konnte, und wenn sie mir mit solcher Innigkeit in die Augen sah, als sei sie von der Wahrheit jener meiner angeblichen Äußerungen und meiner Ergebenheit überzeugt, so wußte sie dabei natürlich, daß ich sozusagen aus Zartgefühl und wegen meiner Jugendlichkeit nicht wagen würde, es in Abrede zu stellen. Ob ich übrigens mit dieser Vermutung das Rechte treffe, weiß ich nicht. Vielleicht bin ich nur schrecklich verdorben.
    »Mein Bruder wird mich beschützen«, sagte sie auf einmal in einer gewissen Erregung, als sie sah, daß ich nicht antworten

Weitere Kostenlose Bücher