Der Jüngling
Stellen seiner Erzählung brach er einfach ab, schwieg ein paar Minuten und ging mit bösem Gesichtsausdruck im Zimmer auf und ab.
Sie hatte damals sein Geheimnis bald durchschaut; oh, vielleicht kokettierte sie auch absichtlich mit ihm: selbst die edelsten Frauen benehmen sich in solchen Fällen schändlich; das ist eben ein unüberwindlicher Instinkt bei ihnen. Schließlich kam es zwischen ihnen in heftigster Form zum Bruch, und er wollte sie, glaube ich, töten; er versetzte sie in große Angst und hätte sie vielleicht wirklich getötet; »aber all das verwandelte sich plötzlich in Haß«. Dann folgte eine seltsame Periode: er setzte sich auf einmal einen sonderbaren Gedanken in den Kopf: sich mit einer besonderen Selbstdisziplin zu kasteien, »mit derselben, deren sich die Mönche bedienen. Man überwindet seinen Willen allmählich durch methodische Übung, indem man mit den lächerlichsten, unbedeutendsten Dingen anfängt, und schließlich gelangt man zu vollständiger Überwindung seines Willens und wird frei.« Er fügte hinzu, die Mönche betrieben das mit großem Ernst, da es durch eine tausendjährigeErfahrung schon zu einer Wissenschaft ausgebildet sei. Aber das bemerkenswerteste ist, daß er sich diese Idee von der »Selbstdisziplin« damals überhaupt nicht zu dem Zweck in den Kopf setzte, um sich von Katerina Nikolajewna loszumachen, sondern in der vollsten Überzeugung, daß er sie nicht mehr liebe, ja vielmehr sie auf das grimmigste hasse. Er war dermaßen von seinem Haß gegen sie überzeugt, daß er sogar plötzlich auf den Einfall kam, sich in ihre vom Fürsten betrogene Stieftochter zu verlieben und sie zu heiraten, sich seine neue Liebe vollständig einredete und die arme Idiotin sinnlos in sich verliebt machte: er bereitete ihr durch diese Liebe für die letzten Monate ihres Lebens die vollste Glückseligkeit. Warum er statt an sie nicht lieber an Mama gedacht hat, die immer noch in Königsberg auf ihn wartete, das ist mir unverständlich geblieben. Vielmehr hatte er Mama plötzlich vollständig vergessen und schickte ihr nicht einmal Geld zum Lebensunterhalt, so daß nur Tatjana Pawlownas Eingreifen sie damals rettete; und plötzlich fuhr er dann doch zu Mama, um von ihr die Erlaubnis zur Heirat mit jenem Mädchen zu erbitten, unter dem Vorwand, eine solche Braut sei überhaupt keine Frau. Oh, vielleicht ist alles dies nur das Porträt eines verstiegenen Theoretikers, wie sich Katerina Nikolajewna später über ihn ausgedrückt hat; aber warum sind diese verstiegenen Theoretiker (wenn es mit ihrer Verstiegenheit seine Richtigkeit hat) dennoch fähig, auf so reale Weise sich selbst zu quälen und sich ein tragisches Schicksal zu bereiten? Übrigens dachte ich damals, an jenem Abend, etwas anders darüber, und ein bestimmter Gedanke erschütterte mich:
»Sie haben Ihre ganze Entwicklung, die ganze Ausbildung Ihrer Seele nur durch lebenslängliche Leiden und Kämpfe erlangt – ihr aber ist ihre ganze Vollkommenheit als Geschenk zuteil geworden. Das ist eine Ungerechtigkeit ... Diese Bevorzugung des weiblichen Geschlechts ist empörend.« Ich sagte das durchaus nicht, um mich bei ihm einzuschmeicheln, sondern mit Lebhaftigkeit und sogar mit Entrüstung.
»Vollkommenheit? Ihre Vollkommenheit? Aber sie besitzt keinerlei Vollkommenheiten!« erwiderte er plötzlich,beinahe verwundert über meine Worte. »Sie ist eine ganz gewöhnliche Frau, sogar eine minderwertige Frau ... Aber sie wäre eigentlich verpflichtet, alle Vollkommenheiten zu besitzen!«
»Warum denn verpflichtet?«
»Weil sie eine solche Macht besitzt, ist sie auch verpflichtet, alle Vollkommenheiten zu besitzen!« rief er zornig.
»Das betrübendste ist, daß Sie auch jetzt noch deswegen solche Qualen leiden!« entfuhr es mir plötzlich unwillkürlich.
»Jetzt? Qualen leiden?« wiederholte er erneut meine Worte und blieb wie in verständnisloser Verwunderung vor mir stehen. Und da erhellte auf einmal ein stilles, sinnendes Lächeln sein ganzes Gesicht, und er hob, als wenn er etwas überlegte, einen Finger vor sich in die Höhe. Darauf nahm er, wieder vollständig zur Besinnung gelangt und beruhigt, einen geöffneten Brief vom Tisch und warf ihn vor mich hin.
»Da, lies! Du mußt unbedingt alles erfahren ... und warum hast du mich so lange in diesem alten Unsinn herumwühlen lassen? ... Ich habe mein Herz damit nur verunreinigt und erbittert! ...«
Ich kann mein Erstaunen gar nicht schildern. Es war ein Brief, den sie an
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