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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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Sinnen vor Wut, meinen Wirt an. »Wie können Sie sich erdreisten, diese Spitzbübin in mein Zimmer zu führen?«
    »Tiens!« rief Alfonsinka, »et les amis?«
    »Hinaus!« brüllte ich.
    »Mais c'est un ours!« sagte sie, flatterte, sich erschrocken stellend, auf den Korridor hinaus und verschwand sofort im Zimmer der Wirtin. Pjotr Ippolitowitsch, der immer noch die Kerze in der Hand hielt, trat mit strenger Miene auf mich zu:
    »Gestatten Sie mir die Bemerkung, Arkadij Makarowitsch, Sie sind gar zu hitzig geworden; wie sehr wir Sie auch schätzen, aber Mamsell Alfonsina ist keine Spitzbübin; sie ist vielmehr ganz im Gegenteil hier zu Besuch, und zwar nicht bei Ihnen, sondern bei meiner Frau, mit der sie schon seit einiger Zeit bekannt ist.«
    »Aber wie können Sie sich erdreisten, sie in mein Zimmer zu führen?« fragte ich noch einmal und faßte mich an den Kopf, der auf einmal angefangen hatte, mir furchtbar weh zu tun.
    »Das ist ganz zufällig gekommen. Ich kam herein, um das Luftfenster zu schließen, das ich der frischen Luft wegen geöffnet hatte, und da ich mit Alfonsina Karlowna ein vorher begonnenes Gespräch fortsetzte, so kam sie während des Gesprächs mit in Ihr Zimmer herein, nur um mich zu begleiten.«
    »Das ist nicht wahr, Alfonsinka ist ein Spion, Lambert ist ein Spion! Vielleicht sind Sie selbst ebenfalls ein Spion! Und Alfonsinka ist hergekommen, um bei mir etwas zu stehlen.«
    »Denken Sie; was Sie wollen! Heute geruhen Sie so zu sprechen und morgen anders. Aber ich habe meine Wohnung für einige Zeit vermietet und bin selbst mit meiner Frau in die Kammer gezogen, so daß Alfonsina Karlowna hier beinahe dasselbe Recht als Mieterin hat wie Sie.«
    »Sie haben die Wohnung an Lambert vermietet?« rief ich erschrocken.
    »Nein, nicht an Lambert«, erwiderte er mit demselben breiten Lächeln, das ich am Vormittag bei ihm gesehen hatte, das aber statt der Unsicherheit jetzt eine gewisse Festigkeit verriet, »ich nehme an, daß Sie selbst wissen, an wen, und nur zweckloserweise so tun, als ob Sie es nicht wüßten, lediglich um des guten Scheins willen, und daßSie sich aus diesem Grund auch so zornig stellen. Gute Nacht!«
    »Ja, ja, gehen Sie nur, lassen Sie mich in Ruhe!« rief ich mit heftig abwehrenden Handbewegungen und beinahe weinend, so daß er mich auf einmal erstaunt ansah; jedoch ging er hinaus. Ich legte den Haken vor die Tür und warf mich auf mein Bett, mit dem Gesicht auf das Kissen. Das war für mich der Verlauf dieses ersten schrecklichen Tages von den drei verhängnisvollen letzten Tagen, mit denen meine Aufzeichnungen schließen.

Zehntes Kapitel
     
I
     
    Aber ich halte es wieder für notwendig, dem Gang der Ereignisse vorauszueilen und dem Leser wenigstens einiges im voraus zu erklären, denn hier mischten sich in den logischen Verlauf dieser Geschichte so viele Zufälligkeiten hinein, daß man ohne vorherige Erklärung sich nicht zurechtfindet. Es handelte sich um eben jene »Mordschlinge«, von der Tatjana Pawlowna ein Wort entschlüpft war. Diese Schlinge bestand darin, daß Anna Andrejewna endlich den kühnsten Schritt gewagt hatte, den man sich in ihrer Lage nur denken konnte. Wahrlich, sie besaß Charakter! Zwar hatte man den alten Fürsten unter dem Vorwand, daß das für seine Gesundheit notwendig sei, damals noch rechtzeitig nach Zarskoje Selo abgeschoben, so daß die Nachricht von seiner beabsichtigten Eheschließung mit Anna Andrejewna sich in der Gesellschaft nicht hatte verbreiten können und für eine Weile sozusagen im Keim erstickt war, aber doch hätte der schwache alte Mann, mit dem man sonst alles mögliche anstellen konnte, sich um keinen Preis der Welt dazu bereit gefunden, von seinem Plan Abstand zu nehmen und Anna Andrejewna, die ihm den Antrag gemacht hatte, untreu zu werden. In solchen Dingen war er ein Kavalier, und es war daher zu erwarten, daß er früher oder später sich gegen den Zwang auflehnen und mit unwiderstehlicher Energie zur Ausführung seinerAbsicht schreiten würde, was sehr häufig vorkommt, namentlich bei schwachen Charakteren, da es bei diesen eine bestimmte Grenze gibt, über die man sie nicht hinausführen darf. Zudem war er sich in vollem Umfang darüber klar, in wie mißlicher Lage sich Anna Andrejewna befand, die er maßlos verehrte; er wußte, daß in der Gesellschaft leicht allerlei Gerüchte, Spöttereien und üble Nachrede über sie entstehen konnten. Nur der Umstand, daß Katerina Nikolajewna kein einziges Mal, weder mit

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