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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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Hand.
    »Bitte nehmen Sie, es ist für Sie aus Petersburg gekommen; Sie selbst zu empfangen ist dem Herrn nicht möglich; vielleicht ein andermal, wenn er mehr Zeit hat.« Ich merkte, daß er diese letzten Worte von sich aus hinzufügte. Aber meine Fassungslosigkeit dauerte immer noch an. Ich nahm das Geld und ging zur Tür; eben infolge meiner Fassungslosigkeithatte ich es genommen, denn ich hätte es nicht nehmen dürfen; aber der Lakai erlaubte sich, natürlich in der Absicht, mich zu verletzen, eine recht bedientenhafte Frechheit: er riß auf einmal die Tür vor mir hastig auf, und sie weit geöffnet haltend, sagte er, während ich an ihm vorüberging, würdevoll und nachdrücklich:
    »Bitte sehr!«
    »Schurke!« brüllte ich ihn an und holte mit der Hand aus, ohne jedoch zuzuschlagen, »und dein Herr ist ebenfalls ein Schurke! Bestelle ihm das sofort!« fügte ich hinzu und ging schnell auf die Treppe hinaus.
    »Seien Sie nicht so dreist! Wenn ich das dem Herrn bestelle, dann könnten Sie sofort mit ein paar Begleitzeilen nach der Polizeiwache spediert werden. Und wagen Sie nicht, so mit der Hand auszuholen ...«
    Ich stieg die Treppe hinunter. Es war die Haupttreppe, die ganz frei im Treppenhaus lag, und man konnte mich, während ich auf dem roten Teppich hinunterging, von oben vollständig sehen. Die Lakaien waren alle drei herausgekommen und beugten sich oben über das Geländer. Ich beschloß natürlich zu schweigen: mich mit den Bedienten herumzuzanken, das war völlig ausgeschlossen. Ich stieg die ganze Treppe hinab, ohne meinen Schritt zu beschleunigen; ich glaube sogar, daß ich ihn noch verlangsamte.
    Oh, mag es auch Philosophen geben (Schande über sie!), die da sagen werden, das seien alles Lappalien, die törichte Empfindlichkeit eines Milchbartes – meinetwegen, aber für mich war das eine Wunde, eine Wunde, die bis jetzt noch nicht vernarbt ist, nicht einmal in dem jetzigen Augenblick, wo ich dies schreibe und wo schon alles beendet ist und ich mich sogar gerächt habe. Oh, ich schwöre es: ich bin nicht nachtragend und nicht rachsüchtig. Ohne Zweifel habe ich immer den Wunsch, den geradezu krankhaften Wunsch, mich zu rächen, wenn ich beleidigt werde; aber ich schwöre es: nur durch Edelmut. Mag ich es dem Beleidigten auch nur durch Edelmut vergelten; Wenn er es nur fühlt und versteht, dann bin ich hinreichend gerächt! Bei der Gelegenheit füge ich hinzu: ich bin nicht rachsüchtig, aber ich bin nachtragend, trotz meines Edelmutes: ob das auch bei andern Menschen vorkommt? Damals aber, oh, damals warich mit edelmütigen Gefühlen hingekommen; mochten sie auch lächerlich sein, immerhin: besser, sie waren lächerlich, aber edelmütig, als nicht lächerlich und gemein, ordinär, vulgär! Von meinem Erlebnis bei dieser Begegnung mit meinem »Bruder« habe ich zu keinem Menschen ein Sterbenswort gesagt, nicht einmal zu Marja Iwanowna, nicht einmal in Petersburg zu Lisa; diese Begegnung betrachtete ich wie eine schmachvoll empfangene Ohrfeige. Und nun begegnete mir dieser Herr auf einmal, als ich ihn am allerwenigsten zu treffen erwartete, lächelte mir zu, nahm den Hut ab und sagte ganz freundschaftlich: »Bonsoir!« Das gab mir allerdings zu denken ... Aber die Wunde war wieder aufgegangen!

V
     
    Nachdem ich über vier Stunden in dem Restaurant gesessen hatte, lief ich plötzlich, als ob ich einen Anfall bekommen hätte, hinaus, selbstverständlich wieder zu Wersilow, und traf ihn selbstverständlich wieder nicht zu Hause an; er war überhaupt nicht zurückgekommen. Die Kinderfrau langweilte sich und bat mich, ihr Darja Onissimowna zu schicken; oh, danach war mir auch gerade zumute! Ich sprach auch bei Mama vor, ging aber nicht in die Wohnung hinein, sondern rief Lukerja auf den Flur hinaus; von ihr erfuhr ich, daß er nicht dagewesen war und daß auch Lisa nicht zu Hause war. Ich sah, daß Lukerja mich ebenfalls gern nach etwas gefragt und mir vielleicht ebenfalls gern einen Auftrag gegeben hätte; aber danach war mir auch gerade zumute! Es blieb eine letzte Hoffnung: er konnte inzwischen zu mir gegangen sein; aber ich glaubte nicht mehr daran.
    Ich habe schon oben angemerkt, daß ich beinahe den Gebrauch meines Denkvermögens eingebüßt hatte. Und siehe da, in meinem Zimmer fand ich zu meiner Überraschung Alfonsinka und meinen Wirt. Allerdings waren sie schon im Begriff hinauszugehen, und Pjotr Ippolitowitsch hatte eine Kerze in der Hand.
    »Was soll das heißen!« schrie ich, fast von

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