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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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es nicht zu bemerken, begann aber doch am ganzen Leib zu zittern; plötzlich drehte ich mich wieder um, ging auf den einen Bedienten zu und befahl ihm in; scharfem Ton, »sofort« hinzugehen und mich noch einmal zu melden. Trotz meiner strengen Miene und meiner starken Erregung sah mich der Bediente lässig an, ohne aufzustehen, und der andere antwortete für ihn:
    »Sie sind gemeldet, beunruhigen Sie sich nicht!«
    Ich beschloß, nur noch eine Minute oder womöglich noch nicht einmal eine Minute zu warten, dann aber unter allen Umständen wegzugehen . Man beachte vor allen Dingen, daß ich sehr anständig gekleidet war: mein Anzug und mein Mantel waren neu und meine Wäsche vollständig sauber, wofür Marja Iwanowna bei diesem Anlaß persönlich besonders gesorgt hatte. Aber über diese Lakaien habe ich erst viel später, als ich schon in Petersburg war, zuverlässig erfahren, daß sie durch einen mit Wersilow junior mitgekommenen Diener schon am Abend vorher benachrichtigt worden waren, es werde da »so eine Art illegitimer Bruder, ein Student«, kommen. Das weiß ich jetzt zuverlässig.
    Die Minute war vergangen. Es ist ein eigentümliches Gefühl, wenn man zu etwas entschlossen ist und sich nicht entschließen kann: »Fortgehen oder nicht, fortgehen oder nicht?« wiederholte ich mir jede Sekunde fast fiebernd; auf einmal erschien der Diener wieder, der hineingegangen war, um mich zu melden. In der einen Hand hatte er zwischen den Fingern vier rote Banknoten hängen, vierzig Rubel.
    »Hier bitte, nehmen Sie diese vierzig Rubel!«
    Ich brauste auf. Das war eine unerhörte Beleidigung! Ich hatte die ganze vorhergehende Nacht mir meine Gedanken gemacht, wie die von Wersilow arrangierte Begegnung der beiden Brüder verlaufen würde; ich hatte die ganze Nacht im Fieber darüber nachgedacht, wie ich mich benehmen sollte, ohne mir etwas zu vergeben und ohne den ganzen Ideenkreis preiszugeben, den ich mir in meiner Einsamkeit erworben hatte und auf den ich sogar in jedem beliebigen Kreis der Gesellschaft stolz sein konnte. Ich hatte es mir in Gedanken ausgemalt, wie edel, stolz und melancholisch ich mich zeigen würde, vielleicht sogar in Gegenwart des Fürsten W...skij, und wie ich auf diese Weise ohne weiteres Zutritt zu diesem Gesellschaftskreis erlangen würde – oh, ich schone mich nicht, sei es drum, sei es drum: so muß man dergleichen schildern, genau, mit allen Einzelheiten! Und da wurden mir nun auf einmal vierzig Rubel durch einen Bedienten ins Vorzimmer geschickt, und noch dazu, nachdem ich zehn Minuten hatte warten müssen, undnoch dazu in der bloßen Hand, in den Fingern eines Bedienten, nicht auf einem Teller, nicht in einem Kuvert!
    Ich schrie den Bedienten dermaßen an, daß er zusammenfuhr und einen Schritt zurücktrat; ich befahl ihm, das Geld unverzüglich wieder zurückzutragen; sein Herr möge es selbst bringen – kurz, meine Forderung hatte natürlich keinen Zusammenhang und war für den Diener natürlich unverständlich. Indes, ich schrie so heftig, daß er hinging. Auch im Saal schien man mein Schreien gehört zu haben, denn das Sprechen und Lachen war auf einmal verstummt.
    Fast unmittelbar darauf hörte ich würdevolle, ruhige, weiche Schritte, und die hohe Gestalt eines hübschen, hochmütigen jungen Mannes (er erschien mir damals noch blasser und magerer als bei der heutigen Begegnung) zeigte sich auf der Schwelle der Tür zum Vorzimmer – er blieb sogar noch einen Arschin von der Schwelle entfernt. Er trug einen prachtvollen rotseidenen Schlafrock und Pantoffeln und hatte einen Kneifer auf der Nase. Ohne ein Wort zu sagen, richtete er seinen Kneifer auf mich und begann mich zu betrachten. Ich machte wie ein wildes Tier einen Schritt auf ihn zu, blieb in herausfordernder Haltung stehen und sah ihm unverwandt ins Gesicht. Aber er musterte mich nur ganz kurze Zeit, nur etwa zehn Sekunden lang; auf einmal erschien ein kaum merkliches und doch sehr boshaftes Lächeln auf seinen Lippen; eben weil es kaum merklich war, sah es so boshaft aus. Dann wandte er sich schweigend um und ging wieder in die Wohnung, ebenso langsam, mit ebenso stillen, gleichmäßigen Schritten, wie er gekommen war. O diese Menschen, sie verstehen das Beleidigen schon von klein auf, schon in ihren Familien lernen sie diese Kunst von ihren Müttern! Natürlich war ich fassungslos ... Oh, warum war ich damals fassungslos!
    Fast in demselben Augenblick erschien wieder eben jener Lakai mit denselben Banknoten in der

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