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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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ebenso garstige Weiber haben sie doch auch zu jenem Unglücklichen gebracht, um ihn dann um so bequemer zu vergiften...«
    »Da meinen Sie wieder diesen Herrn von Sohn, aber hören Sie doch damit auf, Fürst! Der Wirt ist ein Schafskopf und weiter nichts!«
    »Ein Schafskopf und weiter nichts! C'est mon opinion! Mein Freund, wenn du kannst, so rette mich, bringe mich von hier weg!« bat er mich mit gefalteten Händen.
    »Fürst, ich werde alles tun, was ich kann! Ich bin Ihnen treu ergeben... Lieber Fürst, gedulden Sie sich nur noch ein Weilchen; vielleicht gelingt es mir, alles in Ordnung zu bringen!«
    »N'est-ce pas? Wir wollen uns aufmachen und entfliehen, den Koffer aber wollen wir zum Schein hierlassen, damit er glaubt, wir würden wiederkommen.«
    »Wohin sollen wir fliehen? Und Anna Andrejewna?«
    »Nein, nein, mit Anna Andrejewna zusammen .. . Oh, mon cher, in meinem Kopf herrscht eine solche Unordnung... Warte mal: da in der Reisetasche, rechts, ist ein Bild von Katja; ich habe es vorhin heimlich hineingesteckt, damit Anna Andrejewna und besonders diese Darja Onissimowna es nicht bemerkten; nimm es heraus, um Gottes willen recht schnell, recht vorsichtig; gib acht, daß man uns nicht dabei überrascht... Kann man nicht einen Riegel vor die Tür legen?«
    In der Tat fand ich in der Reisetasche eine Photographie von Katerina Nikolajewna in ovalem Rahmen. Er nahm das Bild in die Hand, hielt es ans Licht, und auf einmal rannen die Tränen über seine gelben, mageren Wangen.
    »C'est un ange, c'est un ange du ciel!« rief er. »Mein ganzes Leben lang habe ich ihr unrecht getan... und nun erst jetzt! Cher enfant, ich glaube nichts, gar nichts glaube ich! Mein Freund, sag mir: kann man sich das vorstellen, daß man mich ins Irrenhaus bringen will? Je dis des chosescharmantes et tout le monde rit... und einen solchen Menschen wollen sie auf einmal ins Irrenhaus bringen!«
    »Das hat nie jemand gewollt!« rief ich. »Das ist ein Irrtum. Ich kenne ihre Gefühle.«
    »Auch du kennst ihre Gefühle? Nun, das ist ja herrlich! Mein Freund, du hast mir das Leben wiedergeschenkt. Was haben sie mir bloß alles von dir erzählt? Rufe doch Katja her, mein Freund; dann sollen sie sich beide vor meinen Augen küssen, und ich nehme sie mit nach Hause, und den Wirt jagen wir fort!«
    Er stand auf, faltete die Hände und fiel plötzlich vor mir auf die Knie.
    »Cher«, flüsterte er in einer geradezu wahnsinnig zu nennenden Angst und zitterte dabei am ganzen Leib wie Espenlaub, »mein Freund, sag mir die volle Wahrheit: wohin soll ich jetzt geschafft werden?«
    »Mein Gott!« rief ich, hob ihn auf und setzte ihn auf das Bett. »Sie glauben ja nicht einmal mir mehr; Sie denken, daß auch ich im Komplott bin? Ich werde niemandem hier gestatten, Sie auch nur mit einem Finger anzurühren!«
    »C'est ça, gestatte es nicht!« stammelte er, indem er mit beiden Händen mich fest an den Ellbogen faßte und immer noch zitterte. »Gestatte es niemandem! Und lüge du mir auch selbst nichts vor.. . Wird man mich denn wirklich von hier fortbringen? Hör mal, dieser Wirt, Ippolit oder wie er heißt, ist er ... nicht ein Arzt?«
    »Was für ein Arzt?«
    »Ist das... ist das hier nicht ein Irrenhaus, hier dieses Zimmer?«
    Aber in diesem Augenblick öffnete sich plötzlich die Tür, und Anna Andrejewna trat ein. Wahrscheinlich hatte sie an der Tür gehorcht und sich nicht mehr halten können und sie gar zu plötzlich geöffnet – und der Fürst, der bei jedem Knarren einer Tür zusammenfuhr, schrie auf und warf sich mit dem Gesicht auf das Kissen. Er bekam nun schließlich eine Art von Anfall, der in heftigem Schluchzen zum Ausbruch kam.
    »Da – das ist das Resultat Ihrer Handlungsweise«, sagte ich, indem ich auf den alten Mann wies.
    »Nein, das ist das Resultat Ihrer Handlungsweise!« erwidertesie in scharfem Ton mit erhobener Stimme. »Zum letztenmal wende ich mich an Sie, Arkadij Makarowitsch: wollen Sie die teuflische Intrige gegen den schutzlosen alten Mann enthüllen und Ihre sinnlosen, kindischen Liebesgedanken zum Opfer bringen, um Ihre leibliche Schwester zu retten?«
    »Ich werde sie alle retten, aber nur so, wie ich es Ihnen vorhin gesagt habe! Ich laufe wieder fort, und vielleicht wird in einer Stunde Katerina Nikolajewna selbst hier sein! Ich werde alle versöhnen, und alle werden glücklich sein!« rief ich fast in Begeisterung.
    »Bring sie hierher, bring sie hierher!« rief der Fürst, der plötzlich auffuhr. »Führt mich zu

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