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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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miteinander geredet haben; ich stand hinter der Portiere... Oh, wir sind alle drei ›Patienten desselben Irrsinns‹! Wissen Sie, von wem dieser Ausdruck ›Patienten desselben Irrsinns‹ herrührt? Er rührt von ihm her, von Andrej Petrowitsch! Und wissen Sie auch, daß wir hier vielleicht noch mehr als drei Patienten desselben Irrsinns sind? Ich möchte wetten, daß Sie als die vierte an demselben Irrsinn leiden! Wenn Sie wollen, sage ich es geradeheraus: ich möchte wetten, daß Sie selbst Ihr ganzes Leben lang in Andrej Petrowitsch verliebt waren und es vielleicht auch jetzt noch sind ...«
    Ich wiederhole es, ich befand mich in einer Art Verzückung, in einem Glücksrausch, aber ich konnte nicht zu Ende sprechen: auf einmal fuhr sie mir mit unnatürlicher Geschwindigkeit mit der Hand in die Haare und duckte mich ein paarmal mit aller Kraft herunter ... dann ließ sie mich plötzlich los, ging in eine Ecke, stellte sich mit dem Gesicht zur Wand und bedeckte das Gesicht mit dem Taschentuch.
    »Du Grünschnabel! Untersteh dich nicht, das noch einmal zu sagen!« rief sie weinend.
    Alles das kam mir so überraschend, daß ich natürlich ganz betäubt war. Ich stand da, sah sie an und wußte noch nicht, was ich tun sollte.
    »Ach, du Dummkopf! Komm her und gib mir dummem Frauenzimmer einen Kuß!« sagte sie auf einmal weinend und lachend. »Und untersteh dich nicht, untersteh dich nicht, das je wieder zu mir zu sagen ... Und ich habe dich lieb und habe dich mein ganzes Leben lang liebgehabt... du Dummkopf!«
    Ich küßte sie. Ich bemerke dabei in Klammern: von der Zeit an war ich Tatjana Pawlownas Freund.
    »Ach ja! Was mache ich denn da?« rief sie auf einmal und schlug sich vor die Stirn. »Sagtest du nicht, der alte Fürst sei bei dir in deiner Wohnung? Ist das wahr?«
    »Mein Wort darauf.«
    »Ach mein Gott! Ach, mir wird ganz übel!« rief sie und rannte im Zimmer umher. »Und diese Narren stellen dort mit ihm alles mögliche auf! Ach, da soll doch gleich das Donnerwetter dreinfahren! Und schon seit heute früh? Sieh mal einer an, diese Anna Andrejewna! Sieh mal einer an, diese Nonne! Und sie, die holde Militrissa, weiß noch gar nichts davon!«
    »Welche holde Militrissa?«
    »Nun, die Königin der Erde, das hohe Ideal! Ach herrje, was soll man nun machen?«
    »Tatjana Pawlowna!« rief ich, zur Besinnung kommend. »Wir haben hier Dummheiten geredet und die Hauptsache vergessen: ich bin ja gerade hergelaufen, um Katerina Nikolajewna zu holen, und sie warten dort alle auf meine Rückkehr.«
    Und ich setzte ihr auseinander, daß ich Katerina Nikolajewna das Schriftstück nur unter der Bedingung aushändigen würde, daß sie mir ihr Wort darauf gäbe, sich unverzüglich mit Anna Andrejewna zu versöhnen und sogar in deren Verheiratung mit dem alten Fürsten zu willigen...
    »Wunderschön!« unterbrach mich Tatjana Pawlowna. »Ganz dasselbe habe ich ihr hundertmal gesagt. Er stirbt ja doch vor der Hochzeit nicht,und wenn er ihr, der Anna, in seinem Testament Geld vermacht hat, so ist das ohnehin schon da eingetragen und fällt ihr mit Sicherheit zu ...«
    »Tut es denn Katerina Nikolajewna nur um das Geld leid?«
    »Nein, sie hat immer gefürchtet, das Schriftstück befände sich in ihren, Annas, Händen, und ich fürchtete das ebenfalls! Wir haben sie deshalb auch überwacht. Die Tochter wollte nicht, daß das Gemüt des alten Mannes eine so schwere Erschütterung erlitte, aber diesem deutschen Patron, dem Bjoring, war es allerdings auch um das Geld zu tun.«
    »Und unter solchen Umständen bringt sie es über sich, Bjoring zu heiraten?«
    »Was soll man mit so einem dummen Frauenzimmer anfangen? Ist eine einmal dumm, dann bleibt sie es ihr lebelang. Siehst du, er soll ihr zur Ruhe verhelfen: sie sagt, irgendeinen müsse sie doch heiraten, da schiene er ihr noch der Passendste; aber wir werden ja sehen, ob er für sie wirklich der Passendste sein wird. Nachher wird sie sich mit den Händen an den Kopf fassen, aber dann wird es zu spät sein.«
    »Aber Sie, warum lassen Sie es denn zu? Sie haben sie ja doch lieb; Sie haben ihr doch ins Gesicht gesagt, daß Sie in sie verliebt seien!«
    »Das bin ich auch, und ich habe sie lieber als euch alle zusammen, aber trotzdem ist sie eine verrückte Närrin.«
    »Dann laufen Sie doch jetzt zu ihr hin, holen Sie sie her, und wir wollen alles erledigen und dann selbst mit ihr zu ihrem Vater gehen.«
    »Aber das ist unmöglich, du kleiner Dummkopf, unmöglich! Das ist es ja

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