Der Jüngling
nötig hatte. Die Sache war die, daß ich sie sogleich zu Katerina Nikolajewna schicken wollte, um diese in ihre (Tatjana Pawlownas) Wohnung zu bitten und ihr in Tatjana Pawlownas Gegenwart das Schriftstückzurückzugeben, nachdem ich ihr alles ein für allemal erklärt haben würde ... Kurz, ich wollte nur tun, was meine Pflicht war; ich wollte mich ein für allemal rechtfertigen. Nach Erledigung dieses Punktes beabsichtigte ich unbedingt, gleich dort ein paar energische Worte zugunsten Anna Andrejewnas zu sagen und womöglich Katerina Nikolajewna und Tatjana Pawlowna (letztere als Zeugin) mitzunehmen und nach meiner Wohnung zu bringen, das heißt zum Fürsten, dort die beiden feindlichen Frauen miteinander zu versöhnen, den Fürsten zu einem neuen Leben zu erwecken und ... und ... kurz, wenigstens hier, in dieser kleinen Gruppe von Menschen, gleich heute alle glücklich zu machen, so daß nur Wersilow und Mama noch übrigblieben. An dem Erfolg konnte ich nicht zweifeln: Katerina Nikolajewna mußte mir für die Rückgabe des Briefes, für die ich von ihr keinen Lohn verlangte, dankbar sein und konnte mir diese Bitte nicht abschlagen. Ach, ich bildete mir immer noch ein, ich sei im Besitz des Schriftstücks! Oh, in was für einer dummen, unwürdigen Lage befand ich mich, ohne es selbst zu wissen!
Es dunkelte schon stark und war schon gegen vier Uhr, als ich wieder bei Tatjana Pawlowna nachfragte, ob sie zu Hause sei. Marja antwortete mir grob, sie sei noch nicht zurückgekommen. Jetzt erinnere ich mich wieder an Marjas sonderbaren, mürrischen Blick, aber damals konnte mir das selbstverständlich noch nicht auffallen. Vielmehr war es ein anderer Gedanke, der mich damals quälte: als ich ärgerlich und einigermaßen niedergeschlagen die Treppe von Tatjana Pawlowna herunterstieg, fiel mir der arme Fürst ein, der kurz vorher die Arme nach mir ausgestreckt hatte – und ich machte mir auf einmal bittere Vorwürfe, daß ich ihn, vielleicht sogar aus persönlichem Ärger, im Stich gelassen hatte. Voller Unruhe malte ich mir aus, daß in meiner Abwesenheit bei ihnen sogar irgend etwas recht Schlimmes vorgefallen sein könne, und begab mich eilig nach Hause. Zu Hause hatte sich jedoch nur folgendes zugetragen.
Als Anna Andrejewna vorher im Zorn mein Zimmer verlassen hatte, war sie noch nicht ganz mutlos gewesen. Ich muß bemerken, daß sie schon am Morgen zu Lambert geschickthatte; darauf hatte sie noch einmal zu ihm geschickt, und da Lambert immer nicht zu Hause war, so hatte sie schließlich ihren Bruder auf die Suche nach ihm ausgesandt. Die Ärmste setzte, da sie meinen Widerstand sah, ihre letzte Hoffnung auf Lambert und den Einfluß, den dieser auf mich ausübte. Sie wartete auf Lambert mit Ungeduld und wunderte sich nur darüber, daß er, der bis zu diesem Tag nicht von ihrer Seite gewichen war und immer um sie herumscharwenzelt hatte, sich auf einmal gar nicht mehr um sie kümmerte und selbst verschwunden war. Ach, sie konnte ja nicht auf den Gedanken kommen, daß Lambert, da er sich jetzt im Besitz des Schriftstücks befand, bereits ganz andere Entschlüsse gefaßt hatte und sich daher natürlich von ihr fernhielt und sich sogar absichtlich vor ihr versteckte.
So war denn Anna Andrejewna in ihrer Aufregung und wachsenden Seelenangst kaum noch imstande, den alten Herrn zu zerstreuen; und dabei steigerte sich dessen Unruhe in bedrohlichem Maße. Er stellte sonderbare, ängstliche Fragen, begann sogar Anna Andrejewna mißtrauisch anzusehen und fing mehrmals an zu weinen. Der junge Wersilow hatte sich nicht lange bei ihm aufgehalten. Nach ihm brachte Anna Andrejewna schließlich Pjotr Ippolitowitsch herein, auf den sie so große Hoffnungen setzte, aber dieser gefiel dem Fürsten ganz und gar nicht und erregte bei ihm sogar Widerwillen. Überhaupt sah der Fürst aus irgendeinem Grund Pjotr Ippolitowitsch mit immer wachsendem Mißtrauen und Argwohn an. Und unglücklicherweise begann der Wirt wieder von Spiritismus und von gewissen Zauberkunststücken zu schwatzen, die er selbst in einer Vorstellung gesehen habe, namentlich wie ein umherreisender Scharlatan vor den Augen des ganzen Publikums einigen Menschen die Köpfe abgeschnitten habe, so daß das Blut nur so geflossen sei und alle es gesehen hätten, und dann habe er die Köpfe wieder auf die Hälse gesetzt, und sie seien, ebenfalls vor den Augen des ganzen Publikums, wieder angewachsen, und das alles habe sich im Jahre neunundfünfzig zugetragen. Der Fürst
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