Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
Vom Netzwerk:
ihr! Ich will Katerina sehen und sie segnen«, rief er, die Hände erhebend und sich vom Bett aufraffend.
    »Sehen Sie«, sagte ich auf ihn weisend, zu Anna Andrejewna, »hören Sie, was er sagt! Jetzt hilft Ihnen jedenfalls kein ›Schriftstück‹ mehr.«
    »Das sehe ich; aber durch dieses Schriftstück könnte immer noch meine Handlungsweise vor der vornehmen Welt gerechtfertigt werden, während ich jetzt entehrt dastehe! Aber reden wir nicht mehr davon; mein Gewissen ist rein. Alle haben mich verlassen, sogar mein leiblicher Bruder, der vor einem Mißerfolg Angst hat... Ich jedoch werde meine Pflicht erfüllen und bei diesem Unglücklichen ausharren, als seine Pflegerin und Wärterin!«
    Aber es war keine Zeit zu verlieren, ich lief aus dem Zimmer.
    »In einer Stunde bin ich wieder hier, und ich komme nicht allein!« rief ich noch von der Schwelle aus zurück.

Zwölftes Kapitel
     
I
     
    Endlich traf ich Tatjana Pawlowna zu Hause an! Ich setzte ihr sofort alles auseinander, alles, was das Schriftstück betraf, und alles, was sich jetzt bei uns in der Wohnung zugetragen hatte, bis auf die geringste Kleinigkeit.Obgleich sie selbst diese Ereignisse sehr wohl verstand und aus wenigen Worten hätte ersehen können, um was es sich handelte, nahm meine Darstellung doch, wie ich glaube, etwa zehn Minuten in Anspruch. Ich sprach allein; ich sagte die ganze Wahrheit und schämte mich nicht. Sie saß schweigend und ohne sich zu rühren, steif und gerade wie eine Stricknadel auf ihrem Stuhl; die Lippen hielt sie zusammengepreßt, wandte von mir keinen Blick und hörte gespannt zu. Aber als ich geendet hatte, sprang sie plötzlich vom Stuhl auf, und zwar so heftig, daß ich gleichfalls aufsprang.
    »Ach, du Grünschnabel! Also ist dir dieser Brief wirklich in die Tasche eingenäht worden, und das hat die dumme Marja Iwanowna getan! Ach, ihr schändliches Gelichter! Also bist du hierhergekommen, um Herzen zu erobern und die feine Gesellschaft zu besiegen. Du wolltest dich wohl an weiß der Teufel wem dafür rächen, daß du ein illegitimer Sohn bist?«
    »Tatjana Pawlowna«, rief ich, »schelten Sie nicht immer! Vielleicht sind gerade Sie mit Ihrem Schelten gleich von Anfang an die Ursache gewesen, daß ich hier so verbittert war. Ja, ich bin ein illegitimer Sohn und wollte mich vielleicht tatsächlich dafür, daß ich ein illegitimer Sohn bin, rächen und vielleicht tatsächlich an weiß der Teufel wem; denn der Teufel selbst wird hierbei den eigentlich Schuldigen nicht herausfinden können; aber vergessen Sie auch nicht, daß ich eine Abmachung mit den Schurken zurückgewiesen und meine Leidenschaften besiegt habe. Ich werde das Schriftstück, schweigend vor sie hinlegen und weggehen, ohne auf ein Wort von ihr zu warten; Sie werden selbst Zeugin sein!«
    »Gib her, gib den Brief sofort her, leg den Brief sofort hier auf den Tisch! Aber du lügst vielleicht?«
    »Er ist in meine Tasche eingenäht; Marja Iwanowna hat ihn selbst eingenäht, und als ich mir hier einen neuen Rock machen ließ, habe ich ihn aus dem alten herausgenommen und selbst in diesen neuen eingenäht; da ist er jetzt, fühlen Sie her, ich lüge nicht!«
    »Gib ihn her, nimm ihn heraus!« rief Tatjana Pawlowna.
    »Um keinen Preis, sage ich Ihnen noch einmal; ich werde ihn in Ihrer Gegenwart vor sie hinlegen und weggehen, ohneauf ein Wort von ihr gewartet zu haben; aber sie muß erfahren und mit eigenen Augen sehen, daß ich, ich selbst ihn ihr übergebe, aus freien Stücken, ohne Nötigung und ohne Belohnung.«
    »Willst du dich wieder aufspielen? Bist du verliebt, du Milchbart?«
    »Sagen Sie mir so viele Grobheiten, wie Sie wollen, meinetwegen, ich habe es verdient, aber ich fühle mich nicht beleidigt. Oh, mag ich ihr auch als ein unreifer Bursche erscheinen, der ihr nachgestellt und eine Verschwörung gegen sie ausgeheckt hat, aber sie soll einsehen, daß ich mich selbst überwunden habe und ihr Glück mir über alles geht! Meinetwegen, Tatjana Pawlowna, meinetwegen! Ich rufe mir zu: Mut und Hoffnung! Wenn dies auch mein erster Schritt auf der Lebensbahn gewesen ist, so ist er doch gut ausgegangen, zu einem edlen Schluß gelangt! Und was ist dabei, daß ich sie liebe«, fuhr ich verzückt mit leuchtenden Augen fort, »ich schäme mich dessen nicht: Mama ist ein Engel des Himmels, und sie ist die Königin der Erde! Wersilow wird zu Mama zurückkehren, und vor ihr brauche ich mich nicht zu schämen; ich habe ja mit angehört, was sie und Wersilow dort

Weitere Kostenlose Bücher