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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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nicht geteilt, und da habe er in einem Anfall von Geistesstörung auf sich selbst geschossen. Weiter drang nichts in die Öffentlichkeit, und in dieser Gestalt gelangte die Nachricht durch dunkle Gerüchte auch in die Zeitungen, ohne Eigennamen, nur mit den Anfangsbuchstaben der Familiennamen. Wenigstens weiß ich, daß zum Beispiel Lambert in keiner Weise belästigt wurde. Nichtsdestoweniger bekam Bjoring, der die Wahrheit kannte, einen Schreck. Und da mußte es sich auch noch gerade damals treffen, daß er von jener Zusammenkunft erfuhr, die Katerina Nikolajewna mit dem in sie verliebten Wersilow zwei Tage vor jener Katastrophe unter vier Augen gehabt hatte. Das regte ihn sehr auf, und er erlaubte sich Katerina Nikolajewna gegenüber die recht unvorsichtige Bemerkung, wenn sie sich so benehme, so wundere er sich nicht mehr darüber, daß sich mit ihr so phantastische Geschichten zutragen könnten. Katerina Nikolajewna löste sofort das Verhältnis zu ihm, ohne Zorn, aber auch ohne Schwanken. Ihre ganze vorgefaßte Meinung von der Vernünftigkeit einer Ehe mit diesem Menschen verschwand wie Rauch. Vielleicht hatte sie ihn auch schon lange vorher durchschaut, und vielleicht hatten sich auch infolge der Erschütterung, die sie durchgemacht hatte, manche ihrer Ansichten und Gefühle geändert. Aber bei diesem Punkt verstumme ich wieder. Ich füge nur noch hinzu, daß Lambert nach Moskau verschwand, und ich habe gehört, daß er dort bei irgend etwas abgefaßt worden ist. Trischatow aber habe ich schon lange, fast unmittelbar von jener Zeit an, aus den Augen verloren, trotz meiner bis jetzt fortgesetzten Bemühungen, seine Spur aufzufinden. Er ist nach dem Tod seines Freundes »le grand dadais« verschwunden: dieser hat sich erschossen.

II
     
    Den Tod des alten Fürsten Nikolai Iwanowitsch habe ich bereits erwähnt. Dieser herzensgute, sympathische alte Herr starb bald nach jenem Vorfall, übrigens doch erst einen ganzen Monat später; er starb in der Nacht, in seinem Bett, an einem Schlaganfall. Ich hatte ihn von dem Tag an, den er in meiner Wohnung zugebracht hatte, nicht mehr gesehen. Es wurde mir über ihn erzählt, er sei in diesem Monat sehr viel vernünftiger, ja sogar energischer geworden, sei nicht mehr so ängstlich gewesen, habe nicht mehr geweint und in dieser ganzen Zeit kein einziges Wort von Anna Andrejewna gesagt. Seine ganze Liebe hatte sich seiner Tochter zugewandt. Katerina Nikolajewna hatte ihm einmal, eine Woche vor seinem Tod, vorgeschlagen, mich zu seiner Unterhaltung holen zu lassen; aber er hatte sogar ein finsteres Gesicht dazu gemacht: ich teile diese Tatsache ohne jeden Kommentar mit. Es stellte sich heraus, daß sich seine Güter in bester Ordnung befanden, und außerdem fand sich ein sehr bedeutendes Kapital vor. Ein Drittel dieses Kapitals mußte dem Testament des Fürsten gemäß an seine zahllosen Patenkinder weiblichen Geschlechts verteilt werden; aber äußerst sonderbar erschien es allen, daß Anna Andrejewna in diesem Testament überhaupt nicht erwähnt war: ihr Name war weggelassen. Aber als zuverlässige Tatsache ist mir folgendes bekannt geworden: einige Tage vor seinem Tode rief der Alte seine Tochter und seine Freunde, Pelischtschew und den Fürsten W., zu sich und befahl Katerina Nikolajewna im Hinblick auf sein möglicherweise nahes Ende, aus seinem Kapital an Anna Andrejewna unter allen Umständen die Summe von sechzigtausend Rubeln auszuzahlen. Er sprach diesen seinen Willen in bestimmter, klarer, kurzer Form aus, ohne sich eine Gefühlsäußerung dabei zu erlauben und ohne ein Wort der Erklärung hinzuzufügen. Als er gestorben und die Hinterlassenschaft geordnet war, benachrichtigte Katerina Nikolajewna durch ihren Anwalt Anna Andrejewna, daß sie die sechzigtausend Rubel, sobald sie wolle, in Empfang nehmen könne; aber Anna Andrejewna lehnte das Anerbieten trocken und ohne überflüssige Worte ab: sie weigertesich, das Geld anzunehmen, trotz aller Versicherungen, daß dies tatsächlich der Wille des Fürsten gewesen sei. Das Geld liegt auch jetzt noch da und wartet auf sie, und Katerina Nikolajewna hofft immer noch, daß sie ihren Entschluß ändern werde; aber das wird nicht geschehen, und ich weiß das sicher, da ich jetzt einer von Anna Andrejewnas nächsten Bekannten und Freunden bin. Ihre Weigerung hat ziemliches Aufsehen erregt, und es wurde viel darüber gesprochen. Ihre Tante, Frau Fanariotowa, die anfangs über ihre skandalöse Affäre mit dem alten Fürsten

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