Der Jüngling
angeblich begonnen hat und über das ich so rätselhafte Andeutungen mache. Aber dieses neue Leben, dieser neue Weg, der sich da vor mir aufgetan hat, ist eben meine »Idee«, dieselbe wie früher, jedoch in völlig anderer Gestalt, so daß man sie kaum wiedererkennen kann. Aber in meinen »Aufzeichnungen« kann das alles keinen Platz mehr finden, weil es schon etwas ganz anderes ist. Das alte Leben ist völlig abgetan, das neue aber beginnt kaum erst. Aber eines muß ich doch ganz notwendig noch hinzufügen: Tatjana Pawlowna, meine wahre, geliebte Freundin, setzt mir fast täglich mit ihren Ermahnungen zu, ich möchte doch unter allen Umständen und so bald wie irgend möglich in die Universität eintreten. »Nachher, wenn du mit dem Studium fertig bist«, sagt sie, »dann denk dir große Dinge aus, aber jetzt studiere!« Ich muß gestehen, ich überlege ihren Vorschlag reiflich, weiß aber noch gar nicht, wofür ich mich entscheiden werde. Unter anderem habe ich ihr gegenüber eingewendet, ich hätte jetzt gar kein Recht zu studieren, da ich arbeiten müßte, um Mama und Lisa erhalten zu können; aber sie bietet dazu ihr Geld an und versichert, es werde für die ganze Dauer meines Universitätsbesuches ausreichen. Ich habe zuletzt beschlossen, jemand um Rat zu fragen. Ich hielt Umschau und wählte mir diesen Berater auf Grund sorgfältigster Prüfung. Meine Wahl fiel auf Nikolai Semjonowitsch, meinen früheren Erzieher in Moskau, Marja Iwanownas Mann. Nicht, daß ich jemandes Rat so nötig gehabt hätte, aber es kam mich einfach ein unwiderstehliches Verlangen an, die Meinung dieses Mannes zu hören, der mir ganz fernsteht und sogar ein ziemlich kühler Egoist ist, aber unstreitig einen guten Verstand besitzt. Ich schickte ihm also mein ganzes Manuskript hin und bat ihn um Verschwiegenheit, weil ich es noch niemandem,namentlich auch nicht Tatjana Pawlowna, gezeigt hätte. Das weggeschickte Manuskript gelangte zwei Wochen darauf wieder an mich zurück, begleitet von einem ziemlich langen Brief. Aus diesem Brief habe ich nur ein paar Stellen exzerpiert, weil ich in ihnen eine gewisse allgemeine Anschauung, die zur Aufklärung im vorliegenden Fall beitragen kann, zu finden glaube. Hier sind diese Exzerpte.
III
» ... Und Ihre einstweilige Muße konnten Sie, mein lieber, unvergeßlicher Arkadij Makarowitsch, gar nicht vorteilhafter verwenden, als Sie es jetzt durch die Niederschrift Ihrer ›Aufzeichnungen‹ getan haben! Sie haben sich sozusagen über Ihre ersten stürmischen, gewagten Schritte auf der Lebensbahn mit vollem Bewußtsein Rechenschaft abgelegt. Ich glaube bestimmt, daß Sie durch diese Darlegung tatsächlich in vieler Hinsicht ›an Ihrer eigenen Erziehung haben arbeiten und sich umbilden‹ können, wie Sie sich selbst ausgedrückt haben. Eigentlich kritische Bemerkungen zu machen, erlaube ich mir selbstverständlich nicht im geringsten, obgleich jede Seite einem zum Nachdenken Anlaß gibt ... zum Beispiel ist der Umstand, daß Sie das Schriftstück so lange und so hartnäckig in Ihrem Besitz behalten haben, im höchsten Grade charakteristisch ... Aber das ist nur eine Bemerkung unter Hunderten, die ich so für mich gemacht habe. Sehr zu schätzen weiß ich es auch, daß Sie mir, und anscheinend mir allein – nach ihrem eigenen Ausdruck – ›das Geheimnis Ihrer Idee‹ haben mitteilen mögen. Aber Ihre Bitte, Ihnen meine Meinung speziell über diese ›Idee‹ kundzutun, muß ich entschieden abschlagen: erstens ist in einem Brief kein Raum dafür, und zweitens bin ich selbst bei mir noch nicht mit der Antwort im reinen, sondern muß die Sache erst noch gründlich verdauen. Ich bemerke nur, daß Ihre ›Idee‹ sich durch Originalität auszeichnet, während die jungen Leute der jetzigen Generation sich größtenteils auf Ideen werfen, die sie nicht selbst ersonnen, sondern fertig vorgefunden haben, und der Vorrat an solchen Ideen ist nur recht klein, und zudem sind sie häufig auch gefährlich. Durch Ihre ›Idee‹ sind Sie zumBeispiel wenigstens für einige Zeit vor den Ideen der Herren Dergatschew u. Co. bewahrt geblieben, die ohne Zweifel nicht so originell sind wie die Ihrige. Und endlich bin ich höchst einverstanden mit der Meinung der hochverehrten Tatjana Pawlowna, einer Dame, die ich zwar bereits persönlich kannte, aber bisher nicht imstande war in dem Maße zu schätzen, wie sie es verdient. Daß Sie, worauf sie dringt, in die Universität eintreten, wird für Sie im höchsten Grade
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