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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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das alles in Moskau mitteilte, glaubte sowohl an die eine als auch an die andere Version, das heißt, sie glaubte alles zusammen: sie behauptete ausdrücklich, das habe sich alles zugleich zutragen können, das sei so etwas wie la haine dans l'amour, gekränkter Liebesstolz von beiden Seiten usw. usw., kurz eine Art von höchst subtiler romantischer Verwickelung, etwas, was jedes ernstdenkenden, vernünftigen Menschen unwürdig sei, noch dazu, wenn es sich mit Gemeinheit paare. Aber Marja Iwanowna hatte sich auch selbst von ihrer Kindheit an mit Romanen vollgestopft und las solche trotz ihres prächtigen Charakters Tag und Nacht. Als Resultat ergab sich, daß Wersilow sich der Gemeinheit, der Lüge, der Intrige, eines ganz schändlichen, abscheulichen Benehmens schuldig gemacht hatte, was um so schlimmer war, als die Sache tatsächlich einen tragischen Ausgang nahm: das arme, sinnlos verliebte junge Mädchen vergiftete sich, wie man sagt, mit Phosphorzündhölzern; indes weiß ich auch jetzt noch nicht, ob dieses letzte Gerücht wahr ist; jedenfalls suchte man es auf alle Weise zu unterdrücken. Das junge Mädchen war nur zwei Wochen lang krank und starb dann. Die Geschichte mit den Zündhölzern blieb infolgedessen zweifelhaft, aber Krafft glaubte auch daran fest. Dann starb bald darauf auch der Vater des jungen Mädchens, wie man sagt, aus Gram, der auch den zweiten Schlaganfall hervorgerufen haben soll; doch geschah daserst nach drei Monaten. Aber nach der Beerdigung des jungen Mädchens versetzte der junge Fürst Sokolskij, der aus Paris nach Ems zurückgekehrt war, Wersilow öffentlich im Kurgarten eine Ohrfeige, und dieser antwortete darauf nicht mit einer Herausforderung; vielmehr erschien er gleich am nächsten Tag auf der Promenade, als ob nichts vorgefallen wäre. Da nun zogen sich alle von ihm zurück, auch in Petersburg. Wersilow unterhielt zwar noch einigen Verkehr, aber in einem ganz anderen Kreis. Seine Bekannten aus der besseren Gesellschaft verurteilten ihn sämtlich, obgleich kaum jemand von allen Einzelheiten Kenntnis hatte; man wußte nur etwas von dem romanhaften Tod des jungen Mädchens und von der Ohrfeige. Eine vollständige Kenntnis, soweit das überhaupt möglich war, hatten nur zwei oder drei Personen; am meisten wußte der verstorbene Andronikow, der schon lange mit den Achmakows in geschäftlicher Beziehung gestanden und namentlich mit Katerina Nikolajewna in einer bestimmten Angelegenheit zu tun gehabt hatte. Aber er hielt alle diese Dinge sogar vor seiner Familie geheim und teilte nur Krafft und Marja Iwanowna etwas davon mit, und auch das nur, weil es notwendig war.
    »Die Hauptsache ist jetzt ein Schriftstück«, schloß Krafft, »vor dem Frau Achmakowa große Furcht hat.«
    Auch hierüber machte er mir Mitteilungen; hier sind sie:
    Als Katerina Nikolajewnas Vater, der alte Fürst, sich im Ausland bereits von seinem Anfall zu erholen begann, beging sie die Unvorsichtigkeit, an Andronikow unter dem Siegel des Geheimnisses (Katerina Nikolajewna schenkte ihm volles Vertrauen) einen sehr kompromittierenden Brief zu schreiben. Es zeigte sich damals bei dem in der Rekonvaleszenz begriffenen Fürsten tatsächlich ein Hang, das Geld zu vergeuden und beinahe aus dem Fenster zu werfen: er fing an, im Ausland ganz unnütze, teure Sachen wie Gemälde und Vasen zu kaufen, größere Summen zu Gott weiß was für Zwecken zu verschenken und zu spenden, sogar zur Förderung von allerlei dortigen Instituten; einem vornehmen russischen Verschwender hätte er beinahe für ein gewaltiges Stück Geld hinter dem Rücken seiner Angehörigenein heruntergekommenes, mit Prozessen behaftetes Gut abgekauft; und schließlich schien es, daß er faktisch an eine neue Ehe denke. Und da hatte nun in Anbetracht alles dessen Katerina Nikolajewna, die während der Krankheit ihres Vaters nicht von seiner Seite wich, an Andronikow als Juristen und »alten Freund« einen Brief geschrieben und darin gefragt, ob es gesetzlich möglich sei, den Fürsten unter Vormundschaft zu stellen oder ihm die Rechtsfähigkeit zu entziehen und wie sich das eventuell am besten machen lasse, so daß kein häßliches Aufsehen entstehe, niemand ihr einen Vorwurf machen könne und die Empfindungen des Vaters dabei geschont würden und so weiter und so weiter. Andronikow soll ihr gleich damals unter Anführung vernünftiger Gründe entschieden abgeraten haben: später aber, nachdem der Fürst vollständig wiederhergestellt war, war es unmöglich,

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