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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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erfüllt oder auch nur originell war. Ich aber wußte schon aus anderer Quelle als von Krafft, daß, nachdem Wersilow zuerst einen außerordentlichen Einfluß auf Katerina Nikolajewna gehabt hatte, es allmählich zwischen ihnen zu einem völligen Bruch gekommen war. Wie dieses Spiel im einzelnen vorgegangen war, das konnte ich von Krafft nicht erfahren, aber von dem beiderseitigen Haß, der nach der ursprünglichen Freundschaft zwischen den beiden entstanden war, haben mir alle meine Gewährsmänner übereinstimmend berichtet. Dann aber geschah etwas Seltsames: Katerina Nikolajewnas kränkliche Stieftochter verliebte sich anscheinend in Wersilow: entweder es imponierte ihr etwas an ihm, oder seine Reden hatten bei ihr gezündet, oder was da sonst für ein Grund vorhanden sein mochte: jedenfalls steht fest, daß Wersilow eine Zeitlang fast alle Tage bei diesem jungen Mädchen verbrachte. Die Sache endete damit, daß das junge Mädchen auf einmal ihrem Vater erklärte, sie wolle Wersilow heiraten. Daß sie das tatsächlich erklärt hat, haben alle bestätigt: Krafft und Andronikow und Marja Iwanowna und sogar Tatjana Pawlowna, die sich einmal in meiner Gegenwart verplapperte. Es wurde sogar versichert, daß Wersilow die Ehe mit dem jungen Mädchen nicht nur selbst gewünscht, sondern auch sehr energisch darauf gedrängt habe, und daß das Einverständnis dieser beiden ungleichartigenPersonen, des gealterten Mannes und des jungen Mädchens, ein beiderseitiges gewesen sei. Aber den Vater erschreckte dieser Gedanke; er hatte in demselben Maße, in dem er sich von der früher so geliebten Katerina Nikolajewna abwandte, angefangen, seine Tochter beinah zu vergöttern, namentlich nach dem Schlaganfall. Als die erbittertste Gegnerin dieser geplanten Ehe erwies sich jedoch Katerina Nikolajewna selbst. Es fanden sehr viele geheime, sehr unerquickliche Zusammenstöße in der Familie statt, Zank und Streit, kurz allerlei garstige Szenen. Der Vater begann schließlich angesichts der Hartnäckigkeit seiner verliebten und von Wersilow »fanatisierten« (ein Ausdruck Kraffts) Tochter nachzugeben. Aber Katerina Nikolajewna setzte ihren Widerstand mit unerbittlichem Haß fort. Und gerade hier beginnt nun ein Wirrwarr, aus dem niemand klug wird. Ich gebe im folgenden Kraffts auf Tatsachen gegründete Vermutung wieder; indes ist auch dies eben nur eine Vermutung.
    Danach verstand es Wersilow in seiner feinen, unwiderstehlichen Art, dem jungen Mädchen die Meinung beizubringen, daß Katerina Nikolajewna mit der Ehe deswegen nicht einverstanden sei, weil sie sich selbst in ihn verliebt habe, ihn schon lange mit ihrer Eifersucht quäle, ihn verfolge, gegen ihn intrigiere, ihm bereits ihre Liebe erklärt habe und ihn jetzt am liebsten vergiften möchte, weil er eine andere liebe; kurz, so etwas Ähnliches sagte er. Das allergarstigste war aber, daß er darüber auch dem Vater, dem Mann der »treulosen« Gattin, Andeutungen machte, mit der Erklärung, die Sache mit dem Fürsten sei nur eine zeitweilige Zerstreuung gewesen. Natürlich wurde nun das Familienleben zur reinen Hölle. Nach einer Variante habe Katerina Nikolajewna ihre Stieftochter herzlich geliebt und sei nun in Verzweiflung darüber gewesen, daß sie dieser gegenüber in solcher Weise verleumdet worden sei, gar nicht zu reden von ihrem Verhältnis zu ihrem kranken Mann. Aber neben dieser Variante existiert noch eine andere, der zu meinem Leidwesen Krafft völligen Glauben schenkte und die – auch ich selbst für richtig hielt (von alledem hatte ich schon früher gehört). Es wurde nämlich behauptet (Andronikow soll es von Katerina Nikolajewnaselbst gehört haben), es habe ganz im Gegenteil Wersilow schon früher, das heißt, ehe sich das junge Mädchen in ihn verliebte, Katerina Nikolajewna eine Liebeserklärung gemacht; von dieser, die früher seine Freundin, eine Zeitlang sogar seine schwärmerische Verehrerin gewesen sei, aber ihm doch nie so ganz getraut und ihm immer widerstrebt habe, sei Wersilows Liebeserklärung mit starkem Haß und giftigem Hohn aufgenommen worden. Sie habe ihn in aller Form hinausgeworfen, weil er ihr im Hinblick auf den bald zu erwartenden zweiten Schlaganfall ihres Mannes geradeheraus den Vorschlag gemacht habe, dann seine Frau zu werden. Auf diese Weise habe Katerina Nikolajewna einen besonderen Haß gegen Wersilow empfinden müssen, als sie nachher gesehen habe, daß er sich so offen um die Hand ihrer Stieftochter bemühte. Marja Iwanowna, die mir

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