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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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frechen Fürsten dadurch der Beweis geliefert werden, daß es auch in unserem Stand noch Menschen gebe, die ein Gefühl für Ehre hätten, und zweitens werde Wersilow beschämt werden und eine gute Lektion erhalten. Drittens aber – und das sei die Hauptsache –, selbst wenn Wersilow recht daran getan haben sollte, daß er auf Grund irgendwelcher moralischer Anschauungen den Fürsten nicht gefordert und sich dafür entschieden habe, die Ohrfeige einzustecken, so werde er doch wenigstens einsehen, daß es ein Wesen gebe, das die zugefügte Beleidigung so stark wie eine eigene empfinde, als sei sie ihm selbst widerfahren, und für seine (Wersilows) Interessen sogar das Leben hinzugeben bereit sei ... obwohl es sich von ihm für immer trennen werde.
    »Warte mal, schrei nicht so! Meine Tante mag das nicht. Sag mal, mit diesem selben Fürsten Sokolskij prozessiert Wersilow ja wohl wegen einer Erbschaft? Wenn das zutrifft, dann wäre es ja ein neues, originelles Mittel, einenProzeß zu gewinnen: man tötet den Prozeßgegner im Duell.«
    Ich erklärte ihm en toutes lettres, daß er ein Dummkopf und ein Frechling sei; wenn sein spöttisches Lächeln immer ärger werde, so beweise das nur seine Selbstgefälligkeit und seine ordinäre Denkweise; er könne doch nicht annehmen, daß der Gedanke an den Prozeß nicht auch mir gekommen sei, und zwar gleich zu Anfang, sondern nur in seinem geistvollen Kopf aufgeblitzt sei. Darauf setzte ich ihm auseinander, daß der Prozeß bereits gewonnen sei; überdies sei er nicht mit dem einen Fürsten Sokolskij, sondern mit mehreren Fürsten dieses Namens geführt, so daß, wenn der eine Fürst im Duell falle, die andern übrigblieben; aber ohne Zweifel werde es notwendig sein, die Forderung bis zum Ablauf der Appellationsfrist zu verschieben, obgleich die Fürsten wohl nicht appellieren würden, aber einzig und allein des Anstandes wegen. Nach Ablauf der Frist werde dann das Duell stattfinden; ich sei jetzt auch mit dem Gedanken zu ihm gekommen, daß das Duell nicht gleich stattfinden solle, aber ich müsse mich doch sichern, da ich keinen Sekundanten hätte, ich sei mit niemand bekannt; so würde ich doch wenigstens noch Zeit haben, einen zu finden, falls er, Jefim, ablehne. Das sei der Grund, weswegen ich gekommen wäre.
    »Na, komm doch, wenn's soweit ist, und sag es mir dann; so bist zu zehn Werst vergebens gelaufen.«
    Er stand auf und griff nach seiner Mütze.
    »Wirst du denn nachher einwilligen?«
    »Nein, ich werde nicht einwilligen, selbstverständlich nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Jetzt sage ich schon allein darum nicht ja, weil du sonst während der ganzen Appellationsfrist alle Tage würdest zu mir gelaufen kommen. Und vor allen Dingen: die ganze Geschichte ist dummes Zeug, weiter nichts. Soll ich mir etwa deinetwegen meine Karriere verderben? Der Fürst wird mich fragen: »Wer hat Sie geschickt?« – »Dolgorukij.« – »Was hat denn Dolgorukij mit Wersilow zu tun?« Dann muß ich ihm ja wohl deinen Stammbaum erklären, nicht wahr? Er wird mir ins Gesicht lachen!«
    »Dann hau ihm eins in die Fresse!«
    »Ach, dummes Zeug!«
    »Hast du Angst? Du bist doch so ein großer Kerl; du warst auf dem Gymnasium der Stärkste.«
    »Ich habe Angst, natürlich habe ich Angst. Und der Fürst wird sich mit dir schon deshalb nicht schlagen, weil man sich nur mit seinesgleichen schlägt.«
    »Ich bin meiner Bildung nach ebenfalls ein Gentleman; ich gehöre zu den privilegierten Ständen; ich bin seinesgleichen ... im Gegenteil, er ist nicht meinesgleichen.«
    »Nein, du bist ein Kleiner.«
    »Wieso ein Kleiner?«
    »Na, eben ein Kleiner; wir beide sind Kleine, und er ist ein Großer.«
    »Du Schafskopf! Nach dem Gesetz kann ich schon seit einem Jahr heiraten.«
    »Na, dann heirate, aber du bist doch noch ein grüner Junge: du wächst ja noch!«
    Ich merkte natürlich, daß er sich über mich lustig machen wollte. Ohne Zweifel hätte ich diese ganze dumme Geschichte hier nicht zu erzählen brauchen, und es wäre sogar besser gewesen, wenn sie der Vergangenheit anheimgefallen wäre; überdies macht sie in ihrer Kleinlichkeit und Überflüssigkeit einen widerwärtigen Eindruck, obgleich sie ziemlich ernste Folgen hatte.
    Aber um mich noch mehr zu bestrafen, will ich sie ganz zu Ende erzählen. Als ich durchschaut hatte, daß Jefim sich über mich lustig machte, erlaubte ich mir, ihn mit der rechten Hand gegen die Schulter zu stoßen, oder richtiger gesagt, mit der rechten Faust. Da faßte er

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