Der Jüngstre Tag
wir!«, hörten sie Fergus schreien.
»Was macht ihr da oben?«, schrie Steven zurück, als er in ein paar Hundert Metern Entfernung drei Gestalten oben in einem Baum entdeckte.
»Löwen!«, schrie Robert verängstigt.
Mark richtete das Fernglas auf den Boden neben dem Baum. Mehrere Löwinnen schliefen mit ihren Jungen im Schatten des Baumes.
»Wo ist nur Adam?«, fragte Steven.
Mark suchte das Gebiet mit dem Fernglas ab. »Etwa fünfzig Meter weiter rechts«, erwiderte er leise.
»Mein Gott«, murmelte Steven. Ein riesiger Löwe mit einer beeindruckenden dunklen Mähne saß entfernt vom Rest des Rudels im Gras und beschützte hochmütig seine Beute.
Jessica begann wieder zu weinen.
»Ich verstehe nicht«, sagte Steven, »warum es so nah bei Kapstadt Löwen gibt. Ich dachte immer, die einzigen Löwen in Afrika lebten weiter nördlich.«
»Hier war früher der Tygerberg-Zoo, und rund um Kapstadt gab es eine Reihe von Wildfarmen, die die Kreuzfahrtschiffe belieferten«, erklärte Mark ihm. »Sie sind vermutlich entkommen und haben sich hier nach der Pandemie versammelt – leichte Beute.«
»Wie kriegen wir sie von dem Baum?«, fragte die schluchzende Jessica.
»Da gibt’s nur eine Möglichkeit«, sagte Mark und sprang auf. »Macht so viel Lärm wie möglich.«
Ehe Steven und Jessica darüber nachdachten, was das bringen sollte, rannten sie hinter Mark den Hügel hinunter und schrien aus vollem Hals. Mark und Steven feuerten während des Laufens Schüsse ab. Robert, Luke und Fergus auf dem Baum begannen ebenfalls zu schreien.
Die alarmierten Löwinnen liefen, gefolgt von ihren Jungen, davon. Mit wütend funkelnden Augen nahm der große Löwe die Reste der Beute in sein riesiges Maul und zerrte sie in die Büsche. Mark kniete sich hin und nahm ihn ins Visier, überlegte es sich dann aber anders. Besser, der Löwe nahm Adams Leichnam mit, als dass sie sich hier zu lange aufhielten und ihn begraben mussten.
Sobald die Löwen außer Sicht waren, sprangen die drei verängstigten Jungs vom Baum und liefen auf ihre Retter zu.
»Warum habt ihr euch den Weg nicht freigeschossen?«, fragte Mark Robert, als die ganze Gruppe umkehrte und auf die Hänge von Lions Head zulief.
»Ich hatte nicht genug Munition. Mein Vater hat gesagt, ich soll meine Ersatzmunition auf die Erde legen.«
Mark schüttelte den Kopf.
Auf einer Anhöhe blieben sie stehen und schauten zurück. »Ich habe gar keine Munition mehr«, sagte Robert und warf einen nervösen Blick den Hang hinunter.
Wütend reichte Mark ihm ein Magazin. »Nächstes Mal machst du das, was man dir sagt.«
Zwei Tage später legte die Archangel ab. Die Wassertanks waren voll, aber es war ihnen nicht gelungen, die Nahrungsmittelvorräte in dem Maße aufzustocken, wie Mark gehofft hatte. Da sie sich nicht mehr so weit vom Ufer entfernen wollten, hatten sie nur begrenzten Erfolg mit den Gewehren. Sie hatten jedoch Feuer am Kai gemacht, eine Menge Gemüse eingekocht und im Hafen auch ein paar Fische gefangen.
»Jetzt brauchen wir nicht mehr zu diskutieren«, sagte Mark zu Steven, als sie die Leinen der Archangel losmachten. »Unsere Nahrungsmittelvorräte reichen nicht bis Neuseeland. Wir müssen auf jeden Fall noch irgendwo anlegen. Warum also nicht in Brisbane.«
Steven stimmte ihm zögernd zu. »Jedenfalls wird es in Brisbane sicherer sein als hier«, scherzte er. »Dort können uns nur Kängurus zerfleischen.«
Allison warf ihm einen bösen Blick zu, als Luke, der auf dem Kabinendach saß, den Kopf hob. Seine Miene war so finster wie die seines Bruders.
8
Die fünf ältesten Mitglieder der Haver-Gemeinschaft versammelten sich im Quartier der Morgans, als die Uhr am Cromwell Tower neun schlug. Sie waren alle erschöpft. Das Trauma des Massakers und der zwölfstündige Arbeitstag forderten ihren Tribut.
»Wir hätten uns eine halbe Stunde früher treffen können, wenn du deinen Mund gehalten hättest«, fuhr Susan Paul an. Sie sah noch abgespannter aus als ihre Verwandten. Ihr spitzes Gesicht war verhärmt, und ihr Haar wurde immer dünner. Sie war furchtbar wütend auf Paul. Sein Vorschlag, die Tretmühle vierundzwanzig Stunden am Tag zu bemannen, damit Nigel Mary-Claire freiließ, hatte dazu geführt, dass ihr Arbeitstag um eine halbe Stunde verlängert worden war.
»Wahrscheinlich hätte er früher oder später sowieso beschlossen, unsere Arbeitszeit zu verlängern«, sagte Duncan und fuhr mit den Fingern durch seinen zotteligen Bart und die zerzauste rote
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