Der Jüngstre Tag
kurz danach gestorben sein. Katie war wohl allein zurückgeblieben und hatte die Hoffnung aufgegeben, jemals gerettet zu werden. Sie war die am wenigsten praktisch veranlagte von allen gewesen und kaum in der Lage, für sich selbst zu sorgen. Das war einer der Gründe, warum Steven sich damals zu ihr hingezogen fühlte. Er wollte sie beschützen.
Ein Bein war verletzt, vielleicht gebrochen. Vermutlich konnte sie kaum laufen, um sich etwas zu essen zu suchen. Sie musste furchtbare Schmerzen gehabt haben, ganz zu schweigen von Hunger und Schwäche ohne Nahrung. Es sah so aus, als hätte sie mit einer ihrer letzten Patronen diesen Vogel erlegt, ehe sie sich eine Kugel in den Kopf geschossen hatte. In die Trauer um ihre Schwester mischte sich die Gewissheit, dass ihre Kinder, ihr Vater und alle anderen in Gulf Harbour beim Tsunami umgekommen waren. Katie konnte nicht ahnen, dass die Archangel zurückgekehrt war. Vielleicht glaubte sie auch, das würde niemals geschehen, denn es war über eineinhalb Jahre her, seit sie aufgebrochen waren. Kein Wunder, dass sie verzweifelt war.
»Wären wir nur einen Tag früher hier angekommen«, murmelte Steven. Tränen traten ihm in die Augen. Er hätte besser auf seinen Vater gehört und eher mit der Suche begonnen. Wenn sie sofort von der Woody Bay nach Waiheke gefahren und nicht noch um Rakino Island herumgesegelt wären, hätten sie rechtzeitig in Oneroa ankommen können, um Katies Tod zu verhindern.
Penny und Lee warteten in dem Ferienhaus, während Steven zur Raconteur lief und den Spaten holte neben dem Grab, in dem vermutlich Sarah lag. Nachdem er daneben ein zweites Grab geschaufelt hatte, bat er Penny, mit Lee am Strand spazieren zu gehen. Steven wickelte Katies Leichnam in ein Betttuch und trug sie den Hügel hinunter zum Grab. Er weinte hemmungslos, als er sich an die gemeinsame Zeit mit Katie erinnerte, ehe er und sein Vater nach England gesegelt waren.
Als Penny und Lee zurückkehrten, stand Steven noch immer auf den Spaten gelehnt und starrte auf den Erdhügel. Penny bemerkte seine geröteten Augen.
»Hast du sie sehr gern gehabt?«, fragte sie und drückte seine Hand.
»Ja, einst …«, doch seine Stimme versagte ihm.
»Ich weiß. Du hast sie nicht nur gern gehabt, nicht wahr?«
Steven starrte noch immer auf das Grab. »Woher weißt du das?«
»Ich habe dein Gesicht gesehen, als du ihren Leichnam entdeckt hast.«
»Es war vorbei, lange bevor mein Vater und ich nach England gesegelt sind.«
»Hast du sie geliebt?«
»Ja, es gab eine Zeit, da habe ich sie geliebt. Wir … wir hatten ein Baby zusammen. Es war stark behindert und starb kurz nach der Geburt.« Steven begann wieder zu weinen. Lee schaute ihn verwundert an. Er hatte den Mann, den er jetzt »Dad« nannte, noch nie weinen sehen.
Penny nahm Steven in die Arme und wartete, bis sein Schluchzen verstummte. »Ich weiß, dass es sehr schwer für dich sein muss, aber du wirst wieder Vater werden«, sagte sie leise. Steven umklammerte ihre Schultern, rückte sie ein Stück von sich ab und schaute ihr fragend in die Augen. »Ja, ich bin schwanger.«
»Wie? Seit wann? Ich …« Penny lächelte. Sie spürte, wie aufgeregt Steven war. Doch dann spiegelte sich Sorge auf seinem Gesicht. »Geht es dir gut?«, fragte er.
»Natürlich. Mach dir keine Sorgen. Es ist nicht mein erstes Kind.«
Doch Steven machte sich nicht nur Sorgen um ihre Gesundheit. Was, wenn dieses Baby möglicherweise auch missgebildet zur Welt kommen würde?
»Ich bin nicht die einzige«, fuhr Penny fort. »Jessica ist auch schwanger. Wir sind beide im dritten Monat. Ich glaube, du und Fergus, ihr habt beide in einer der ersten Nächte auf der Archangel ins Schwarze getroffen.«
Steven lächelte, und glückliche Gedanken verscheuchten seine Ängste. »Ja, Fergus hatte mit Sicherheit Übung genug.«
»Du doch auch«, erwiderte Penny lächelnd.
»Es wird Zeit, dass wir eine richtige Hochzeitsreise machen«, sagte Steven plötzlich. »Wir müssen uns nicht beeilen, nach Gulf Harbour zurückzukehren. Was mit Sarah und Katie geschehen ist, erfahren sie noch früh genug. Und außerdem wird es ein paar Wochen dauern, bevor mein Vater die anderen Erwachsenen und Tommy in die Basisgruppe integriert hat.«
»Falls Zoë nicht krank geworden ist.«
Steven seufzte. »Wir können nur hoffen. Ich weiß nicht, was mein Vater tun wird, wenn wir nicht die ganze Familie in die Gruppe integrieren können.«
»Wenn er die Gruppen nicht zusammenlegen kann,
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