Der Jüngstre Tag
wollen vielleicht einige von uns wieder zurück nach England«, sagte Penny leise.
»Du willst doch nicht wirklich zurück nach England, oder?«, fragte Steven. Jetzt erinnerte er sich wieder an ihr Gespräch, ehe er das Wrack der Raconteur entdeckt hatte.
»Steven, meine Mutter und meine Schwester sind dort. Abgesehen davon, bekomme ich ein Kind von dir. Glaubst du denn, ich hätte nicht den Wunsch, meiner Mutter unser Kind zu zeigen?«
Steven erwiderte nichts. Er konnte nicht verstehen, warum irgendjemand den Wunsch haben konnte, Neuseeland zu verlassen. Eine Rückkehr nach Haver bedeutete obendrein noch das Risiko, wieder von Nigel und seinen Söhnen versklavt zu werden.
»Eine Hochzeitsreise ist eine wunderbare Idee«, sagte Penny, die spürte, dass es besser war, das Thema zu wechseln. »Aber was ist mit deiner Suche nach Jane?«
»Ich bin sicher, sie ist tot«, erwiderte Steven betrübt, doch er machte sich Vorwürfe. »Ich hätte darauf bestehen müssen, dass wir durch den Suezkanal fahren und nicht in Brisbane anlegen. Hätte ich nicht nachgegeben, wären wir vielleicht nach Hause gekommen, ehe der Tsunami Gulf Harbour verwüstet hat.«
»Dann wären wir jetzt vielleicht auch tot.«
Steven warf Lee einen Blick zu, der das Gespräch verfolgte, ohne es recht zu verstehen. Er strich dem kleinen Jungen durchs Haar. »Du hast recht«, gab er zu. »Lass uns diese Hochzeitsreise machen, okay? Ich möchte dir den Hauraki-Golf zeigen, ehe du zu dick und rund bist, um die Reise zu genießen.«
27
Drei Wochen lang erkundeten Steven, Penny und Lee die Umgebung. Sie segelten nach Te Kouma auf der Coromandel-Halbinsel und weiter nach Great Barrier Island. In Fitzroy Harbour ankerten sie in der Nähe der Smokehouse Bay und sahen, dass die Räucherkammer, die Waschzuber, die Wäscheleinen und die Badeanstalt, die Aucklands Campingurlauber so geliebt hatten, weggeschwemmt worden waren. Trotz der schönen Landschaft beschloss Steven, nur eine Nacht dort zu verbringen. In dieser Nacht kehrten seine Albträume zurück. Er hörte wieder das Knistern der Flammen, die die White Witch verschlangen, und die schrecklichen Schreie des Mannes, der seine Schwester Jane vergewaltigt hatte, die um Hilfe schrie und seinen Namen rief.
Sie segelten weiter und ankerten in der Nähe der Nordküste von Waiheke. Dann ruderten sie in die winzige, fast ganz von Land umschlossene und von Pohutukawabäumen gesäumte Bucht Garden Cove – ein zauberhafter, friedlicher Ort mit einem einzigen Felsen, der an dem schmalen Zugang zur Bucht Wache stand. Sie angelten in der Nähe des Gannet Rock und liefen durch die schaurig verlassene Ortschaft Onetangi. Der Tsunami hatte die Häuser zerstört, die hier einst am langen Sandstrand standen. Sie durchsuchten ein paar Häuser auf den Hängen, doch da es nichts zu essen gab, dafür aber viele Leichen, verließen sie den Ort schnell wieder. Anschließend segelten sie in die Chamberlains Bay an der Nordspitze von Ponui Island. Die Bauernhöfe und Ställe, die hier früher in der Nähe des Strandes standen, waren weggeschwemmt und der Natur zurückgegeben worden.
Obwohl sie ihre Reise genossen hatten, freuten Steven und Penny sich, nach Gulf Harbour zurückzukehren. Nachdem sie in der Hobbs Bay den Anker geworfen hatten, ruderte Steven mit Penny und Lee ans Ufer. Sie gingen sofort zu den drei Häusern auf dem Marina Hill. Als sie sich näherten, begrüßten die Kinder im Quarantänehaus über das Flatterband hinweg aufgeregt Lee, der gleich mit seinen Abenteuern prahlte.
»Hast du meine Mama gefunden?«, fragte Holly.
Lee blickte zu seiner Mutter, denn er wusste nicht, wie er antworten sollte.
»Und was ist mit meiner Mama?«, rief Gina.
»Eure Mütter sind jetzt im Himmel«, sagte Penny behutsam.
Gefolgt von Zach, Audrey und Nicole liefen Holly und Gina weinend ins Haus. Penny hob das Flatterband hoch und lief hinter ihnen her.
»Bleib hier!«, schrie Mark. Er stand vor der Tür seines Hauses und hielt Zoë auf dem Arm. Das kleine Mädchen hatte die Neuigkeiten auch gehört und begann zu weinen. Steven lief zu Penny und zog sie unter dem Flatterband hindurch auf die andere Seite.
»Ich habe den armen Kindern gerade gesagt, dass sie ihre Mütter verloren haben«, verteidigte Penny sich schluchzend. »Jemand muss sie doch trösten.«
»Wir müssen den Quarantäneplan einhalten. Es geht um die Kinder«, erinnerte Mark Penny, dem ihr vorwurfsvoller Ton nicht entgangen war.
»Geht es Zoë gut?«,
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