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Der Jukebox-Mann

Der Jukebox-Mann

Titel: Der Jukebox-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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verflüchtigte.
    »Was das soll? Da stellst du eine verdammt gute Frage, Sune.« Sie zeigte mit der Zigarette auf Johnny. »Du bist hier der größte Fakir, Bergman. Sune ist im Vergleich zu dir nichts in dieser Branche der Selbstquälerei.«
    Sie setzte sich genauso plötzlich, wie sie aufgestanden war. Zehn Zentimeter weiter rechts, und sie hätte den Stuhl verfehlt.
     
    »Das war das Beste, was dir passieren konnte, als du diesen Schwindler losgeworden bist«, fuhr sie fort. »Kapierst du das nicht, John?«
    Sie nannte ihn jetzt John. In ihrer Stimme war kein Hohn mehr. Er konnte ihr nicht antworten. Er hörte zu, genau wie sie gesagt hatte.
    Und Ingrid brach in Tränen aus, genauso schnell und unvermittelt, wie sie alles andere tat.
    Sie putzte sich die Nase mit einem Taschentuch, das sie wie aus dem Nichts gefischt hatte.
    »Du träumst, Johnny«, sagte sie. »Das ist nicht gut. Ich weiß, wie dein Leben war, als du ein Junge warst, und genau aus dem Grund musst du jetzt mit den Träumen aufhören.«
    »Welchen Träumen?« Er beugte sich vor. »Von was für Träumen redest du, Ingrid?«
    »Wenn du nicht aufhörst, kriegen die die Oberhand«, antwortete sie auf seine Frage, ohne sie zu beantworten.
    »Die Träume übernehmen alles. Den ganzen Menschen übernehmen die. Danach gibt es kein Leben mehr.« Sie schüttelte den Kopf. »Dabei ist man ja unschuldig, wenn man träumt«, sagte sie.
    Mister Swing stand auf und zertrat die Kippe, die im Gras glühte. Ingrid nahm mit zitternder Hand eine neue Zigarette hervor. Damit zeigte sie auf Elisabeth.
    »Du musst wissen, dass wir … seine Familie waren«, sagte sie. »Wir haben kein Wort über das verloren, was passiert ist. Wir wurden seine Familie. Er hatte sonst niemanden.« Vergeblich versuchte sie ein Streichholz anzureißen.
    »Und dann wurden diese verdammten Jukeboxen seine Familie. Deswegen hat er sich so lange an ihnen festgeklammert.« Wieder versuchte sie das Streichholz anzuzünden.
    »Und jetzt bist du seine Familie.«
    »Wir sind … keine Familie«, sagte Elisabeth.
    »Ach nein? Was seid ihr dann?« Das Streichholz flammte endlich auf und beleuchtete Ingrids Gesicht. In den letzten zehn Minuten ist sie zwanzig Jahre älter geworden, dachte Johnny, als ob ihre Worte Monate gewesen wären, und je mehr sie sagte, umso mehr fiel sie zusammen. »Dann ist es ja noch schlimmer.«
    »Wir fahren jetzt.« Johnny stand auf.
    »Und wir bleiben«, sagte Ingrid. Sie lachte ihr heiseres Lachen, dann schrie sie auf, als die Streichholzflamme ihre Finger verbrannte. Sie blies auf ihre Finger und fuchtelte mit der Hand in der Luft herum. »Wir bleiben hier«, wiederholte sie.
    Elisabeth erhob sich.
    »Es tut mir Leid«, sagte Swing.
    »Es sind schon genug Jahre, die einem Leid tun können«, sagte Ingrid.
     
    »Es tut mir Leid«, sagte er. Auf dem Küchentisch standen Kaffeetassen und eine leere Kanne. Wir können ja sowieso nicht schlafen, hatte Elisabeth gesagt. Im Auto hatten sie nicht viel gesprochen. Lennart hatte geschwiegen. Er hatte seine Zähne geputzt und gute Nacht gesagt und war in sein Zimmer gegangen.
    Im Rückspiegel hatte Johnny gesehen, wie der Jahrmarkt schrumpfte und schließlich verschwand, wie ein Licht, das langsam erlosch. Morgen Abend würde es fort sein, verweht über die Felder.
    »Es tut mir alles so Leid«, wiederholte er.
    »Es sind schon genug Jahre, die einem Leid tun können«, sagte Elisabeth.
    »Ich hab nicht gemerkt, dass sie so betrunken war«, sagte er.
    »Sie auch nicht. Aber das macht nichts.« Elisabeth hob eine Schulter. »Ich nehm so was nicht übel. Für dich ist es schlimmer, Johnny.«
    »Morgen wird sie es bereuen«, sagte er.
    »Morgen, das ist schon heute.«
    »Es genügt, wenn sie daran denkt«, sagte er. »Wir brauchen das nicht.«
    »Woran denkt?«
    »Was sie gesagt hat.«
    »Aber dummes Zeug hat sie … eigentlich nicht geredet«, sagte Elisabeth.
    »Wie meinst du das?«
    Elisabeth fuhr sich plötzlich mit beiden Händen in die Haare und stützte sich auf den Ellenbogen auf. »Sie hat Mitleid mit dir, Johnny.«
    Er antwortete nicht.
    »Du erzählst mir genau so viel, wie du willst, Johnny. Ich will dich nicht … drängen.«
    »Willst du nicht nach den Diebstählen fragen? Danach, was Seved getan hat?«
    »Ich möchte, dass du nur erzählst, was du selber willst.«
    »Bist du Seved mal begegnet, Elisabeth?«
    »Nein. Aber ich hab von ihm gehört.«
    »Wusstest du von den Diebstählen?«
    »Nein.«
    »Du hast mich nie

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