Der Jukebox-Mann
der kreiselnden Tombola geleistet hatte. Die sorgfältige Auswahl der Nieten. Ein Gewinn wäre sicher ein schwerer Schock für ihn gewesen, hätte die Sammlung zerstört. Und jedes Mal erhöhte sich möglicherweise die Chance, dass er einen Gewinn ziehen würde. Wenn er klug war, hörte er jetzt auf.
»Gehst du heute Abend zum Schwof?«, fragte Eskil, immer noch mit einem Bein im Auto. »Im Lunden. «
»Ist da heute Abend Tanz?«
»Die nennen das Dienstagstanz.«
»Aha.«
»Es kommen immer ziemlich viele Leute.«
»Ich glaub nicht, Eskil.«
» Gotta Travel On, wie?«
»Tja, ich hab noch was zu erledigen in einem anderen Ort.«
» Gotta Travel On. « Eskil summte Bobby Bares Fast-Hit, zwei Mal im Mai fast auf der Liste gelandet, Johnny hatte sich ein wenig gewundert, dass Bare es nach seinem Erfolg mit Detroit City nicht geschafft hatte. »Die ist gut. Lass sie im Ola.«
Eskil summte weiter. Vor dem geschlossenen Frisiersalon wartete keine Schlange, Eskil hatte es nicht eilig. Johnny sah sein Profil. Es war scharf geschnitten und dennoch etwas undeutlich, als ob noch nicht alles seinen Platz in dem Gesicht gefunden hätte. Es war wie Eskil selber: ein bald verlotterter saufender Friseur, der immer noch nicht angefangen hatte zu leben, der mit Zwanzigjährigen im Café herumhing und die Hit-Listen mit größerem Interesse verfolgte als die jungen Leute. Eskil hielt an einem jüngeren Leben fest, einem verwischten, unfertigen Leben. Er war erwachsen, schien es jedoch nicht wahrhaben zu wollen, oder er war unfähig, in sein Alter hineinzuwachsen.
»Die Beatles landen heute Nachmittag«, sagte er. »Direkt von London nach Sweden .«
»Ich hab davon gehört«, sagte Johnny.
»Sie geben vier Konzerte.«
»Eins davon zum Dienstagstanz«, sagte Johnny, »schon heute Abend.«
»Du kannst mir viel erzählen!«
»Aber es ist wahr.«
Eskil lachte und stieg aus.
»Es wäre eine Sensation, wenn nur die Streaplers auftreten würden.« Er zeigte auf das kleine zweistöckige Haus neben dem Café. Die gestreifte Friseursäule, die in die Wand eingelassen war, glänzte. »Wenn du heute Abend noch da bist, kannst du mich auf einen Drink besuchen.«
Johnny schüttelte den Kopf.
»Ach, Mensch, früher hast du doch auch Durst gehabt. Komm rauf zu mir, dann gehen wir zusammen zum Lunden .«
Als der späte Nachmittag in frühen Abend überging, mietete er sich ein Zimmer bei Sjögrens. Es gab vier Zimmer, und er hatte im Lauf der Jahre in jedem so häufig übernachtet, dass er es sein eigenes nennen könnte. Er kannte die Stoßnähte der Tapeten, die Sjögren hatte ankleben lassen, die Ränder in den Waschbecken, die tiefer wurden, wenn die Vertreter sich den Reisestaub abspülten, die Flickenteppiche, die Jahr für Jahr mehr verblassten. Home sweet home. In der Bude hing ein Geruch, der sich im Lauf der Jahre verstärkt hatte. Er war mit nichts zu vergleichen, auch mit nichts, was Johnny in anderen Pensionen gerochen hatte, in denen er übernachtet hatte, wenn er zu müde für die Heimfahrt war. Oder nicht konnte. Es war ein scharfer Geruch, der ihn an etwas erinnerte, aber er wusste nicht, was es war, er fand es nicht in seinem Gedächtnis. Er hatte es viele Male gesucht. Der Geruch war mit seiner Kindheit verbunden. Vielleicht hing er mit einem der Kinderheime zusammen. Dort war etwas passiert. Zuerst hatte er geglaubt, es müsste die Seife sein, der Geruch käme aus dem Bad, aber er hatte sich getäuscht. Daran dachte er jetzt, während er auf dem Bett saß und die Lederstiefel auszog und sie auf dem Fußboden liegen ließ, ein unordentlicher schwarzer Haufen. Mit hängenden Armen blieb er sitzen. Wenn ich mich erinnere, woher ich den Geruch kenne, dann passiert etwas Schreckliches mit mir, oder in mir. Das hatte er auch früher schon gedacht. In dem Geruch war etwas, vor dem er fliehen wollte. Und trotzdem saß er jetzt hier.
Kehrte er immer wieder zu Sjögrens zurück, um die Erinnerung zu finden?
Seved war aus der anderen Richtung geflohen. Seved war älter und konnte schneller laufen als er.
Johnny kratzte sich an der Schulter und dann am Arm. Es juckte in seinem Körper, ein Juckreiz, der in den Füßen zu sitzen schien. Er stand auf, ging in den schmalen Korridor und öffnete die Tür zu dem Badezimmer, das sich Sjögrens Gäste teilten. Er ließ Wasser in die Badewanne laufen, die weniger streifig war als das Waschbecken daneben. Die Streifen verschwanden im warmen Wasser. Er ließ sich langsam
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