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Der Jukebox-Mann

Der Jukebox-Mann

Titel: Der Jukebox-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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die einen neuen Anstrich brauchten, und ihm fiel plötzlich auf, dass sie dieselbe blasse Farbe wie die Nieten von Eskils Vater hatten.
    Durch den Flur konnte er in die Stube sehen, eine abgenutzte Couch, ein Couchtisch und ein Teppich, der dem in seinem Vertreterzimmer ähnlich war. Am Fenster stand ein großer Radioschrank.
    Musikfetzen drangen zum Küchenfenster herein. Sie kamen von weither.
    »Jetzt spielen sie sich warm«, sagte Eskil, »die Tanzband.«
    »Gehst du hin?«
    »Ich weiß noch nicht.«
    »Gehst du öfter zum Tanzen?«
    Eskil antwortete nicht. Die Musik war nur schwach zu hören, als sei sie ein Teil des Windes dort draußen. Es gab keine Bässe. Sonst sind es die tiefen Töne, die am weitesten reichen, dachte Johnny.
    »Gehst du heute Abend hin?«
    »Wenn du mitkommst, Bergman.«
    »Ich hab morgen einen langen Tag vor mir.«
    »So lange machen die nicht.«
    Eskil nahm wieder einen Schluck. Johnny sah, dass seine Augen klarer wurden. Er sah heiterer aus. Eskil lauschte nicht mehr den Stimmen in seinem Kopf, die fragten und antworteten: Warum trinkst du? Weil ich traurig bin. Warum bist du traurig? Weil ich trinke.
    »Du musst dir die Haare schneiden lassen, Bergman.«
    »Im Augenblick bist du außer Dienst, Eskil.«
    »Das Deckhaar ist zu lang. Neunundfünfzig ist vorbei.«
    Johnny betrachtete Eskils Hände, die im Augenblick nicht zitterten, aber das kam vom Schnaps, und er wollte das Risiko nicht eingehen, ein Ohrläppchen zu verlieren oder ein Auge durchbohrt zu bekommen.
    »Das war ein Sommer«, sagte Eskil, »neunundfünfzig.«
    »Mhm.«
    »Erinnerst du dich?«
    »Ich hatte nicht einen Tag frei. Da ging’s bei mir so richtig ab.«
    »Und heiß war das! Die Bauern mussten ihre Kühe schlachten.«
    Johnny goss sich noch ein halbes Glas Limo ein.
    »Es gab kein Wasser«, sagte Eskil und nickte zur Limo. Dann machte er eine Handbewegung zum Abend hinaus.
    »Was für ein Unterschied zu diesem Jahr. Dieser Sommer hat überhaupt nicht richtig angefangen.«
    Johnny spürte einen kühlen Lufthauch und sah, wie die Vorhänge sich bewegten. Draußen war es Sommer, aber nicht wärmer als achtzehn Grad, vielleicht neunzehn. Plötzlich fiel ihm Elvis ein, als er an neunundfünfzig dachte. Elvis brachte I Got Stung heraus, und die Leute nannten den Sommer den Wespensommer.
    Damals hatte er achtzehn Jukeboxen besessen, verteilt in einem Gebiet, das fast genauso groß war wie das, das er jetzt hatte. Und dann hatte er Wigén sechs auf einen Rutsch abgekauft, das war in einem heißen August gewesen. Sogar die Abende waren heiß. Nur die Jukebox, die Wigén in der Kaserne stehen hatte, wollte er nicht hergeben. Es war die beste Box der Provinz, nein, des ganzen Landesteiles. Die Platten hielten nicht lange, waren schon nach wenigen Tagen kaputtgespielt. Hätte Johnny diese Jukebox bekommen, dann wäre es ihm in all den Jahren besser ergangen.
    Die Musik war lauter geworden. Lang gezogene verwässerte Töne, die nichts mit Rock ’n’ Roll zu tun hatten. Es könnte ebenso gut der Wind sein.
    »Es hat angefangen«, sagte Eskil und nickte zum Fenster. Er griff wieder nach der Branntweinflasche, diesmal mit einer ausholenden Bewegung. Er schraubte den Verschluss auf und Johnny nahm den wunderbaren Duft wahr. Er schaute in sein leeres Glas. Sein Hals war trocken, und die Haut am Hemdenausschnitt fing plötzlich an zu jucken. Ihm fiel das Gesicht ein, das unter ihm geschwebt und die Sterne studiert hatte. Das Schwein hatte getrunken, den ganzen Abend gesoffen, den ganzen Nachmittag. Und das kam dabei heraus. Aber es gab auch eine andere Art zu trinken, es brauchte nicht so weit zu kommen, Johnny Bergman war älter geworden und hatte vieles begriffen, mittlerweile konnte er kontrollieren, was passierte, und morgen würde er fünfunddreißig werden, verflixt und zugenäht, sollte er sich da nicht einmal ein einziges Gläschen genehmigen, erst recht mit Blick auf den kleinen Scheißer im Chevrolet, der sich nicht benehmen konnte. Darauf kam es an, auch mit Schnaps im Körper musste man sich benehmen können.
    Eskil hielt immer noch die Flasche in der Hand.
    »Gieß mir ein bisschen ein«, sagte Johnny und zeigte auf das Glas.
     
    Er sah die Farben am Himmel, Rot, Gelb, Grün, Blau. Die Farben ließen sich verfolgen, zogen sich in Streifen vom Eingang bis zur Tanzfläche hin, ein verschwimmender Dunst um die Glühlampen herum.
    Sie standen vorm Eingang. Eskil hatte etwas gesagt, aber er hatte nicht zugehört oder hatte

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