Der Jukebox-Mann
selbst die Windeln wechseln? Können sie die Windeln selber waschen?« Er bückte sich und stellte den Stuhl wieder hin.
»Man braucht immer kompetente Leute, die wissen, wie man es macht.«
Es war immer noch ein leerer Nachmittag, niemand war unterwegs dort draußen auf der Straße, niemand betrat die Konditorei. Jetzt, da keine Leute im Café waren und an den Tischen rauchten, konnte Johnny den Duft nach Zucker und Vanille riechen. Es waren keine starken Gerüche, Zucker und Vanille, aber es gab sie schon so viele Jahre hier drinnen, dass nichts sie verdrängen konnte, höchstens vorübergehend. So war es in allen Konditoreien und Cafés. Plötzlich dachte er, dass es Düfte waren, die auch in die alte Zeit gehörten, dass sie schließlich im Wind verschwinden würden, wenn die Bude abgerissen wurde. Vom Winde verweht. Vanilleduft im Wind.
»Was willst du machen, Bergman? Wenn du mit den Boxen aufhörst?« Sven riss ihn aus seinen Gedanken.
»Ich weiß es nicht.«
»Ich hab dir doch gesagt, du musst mit Flippern anfangen. Und mit diesen einarmigen Banditen.«
»Und ich hab dir gesagt, das ist nichts für mich.«
»Wo besteht denn da der Unterschied? Dann kannst du doch genauso herumreisen wie jetzt.«
»Das ist ein riesiger Unterschied.«
»Du kannst ja beides haben, Boxen und Flipper«, sagte Sven.
»Nein.«
»Aber warum nicht?«
»Erinnerst du dich, dass du eben noch gesagt hast, die Boxen sind … ich. Als ob wir zusammengehörten?«
»Vielleicht hab ich das gesagt.«
»Sie gehören zu mir«, sagte Johnny.
»Genau.« Sven zeigte mit einem grauen Zeigefinger auf ihn. »Ihr gehört für immer zusammen.«
»Mir gefallen die Farben der Flipper nicht«, sagte Johnny. »Und die von den Groschengräbern auch nicht. Den Banditen.«
»Willst du mich verarschen, Bergman?«
»Alles ohne Musik«, sagte Johnny. »Und die Flipper machen die Leute nervös. Sie machen mich nervös.«
»Ich glaub, du bist einfach müde«, sagte Sven. »Du hast den Scheiß satt.«
»Ich weiß nicht.«
»Du hast diese Gegend satt.«
»Nein.«
»Du bist zu viele Jahre herumgefahren. Das ermüdet.«
»Das ist es nicht.«
»Was ist es dann?« Sven beugte sich über den Tisch. Johnny sah Spuren von Mehl in seinen Haaren. »Da ist doch noch was anderes, oder? Es sind nicht nur die schlechten Zeiten.«
Johnny antwortete nicht. Durchs Fenster sah er den Saab immer noch vor dem Farbladen stehen. Plötzlich fiel ihm ein, wo er ihn schon einmal gesehen hatte.
»Du brauchst eine Frau«, sagte Sven, »eine gute Frau. Vielleicht sogar einfach irgendeine Frau. Schlechte Frauen sind nicht die schlechtesten.«
»Da hast du Recht«, sagte Johnny.
»Aber auf Dauer sind schlechte Frauen nicht gesund«, behauptete Sven.
»Das hab ich nicht gemeint«, antwortete Johnny und drehte sich zu Sven um. »Ich habe gemeint, dass ich wohl eine Frau brauche.«
»Sieh einer an.«
Aus dem Augenwinkel nahm Johnny eine Bewegung beim Saab wahr. Jemand war eingestiegen und hatte gerade die Tür zugeschlagen. Er hörte einen Motor starten, bei viel zu hoher Drehzahl. Der Saab wendete und fuhr langsam am Hennings und an dem Duett vorbei, der draußen stand. Der Saab hielt mitten auf der Straße an, fuhr dann weiter und war aus seinem Blickfeld verschwunden.
Sven war seinem Blick gefolgt. »Was hatte das denn zu bedeuten?« Er drehte den Kopf, um besser sehen zu können, aber der Saab war weg. »Jemand, den du kennst?«
Die Ladentür wurde geöffnet, und Milt Ericson kam herein, immer noch im selben großkarierten Hemd.
» The jukebox man! «, rief der Amerikaner schon im Laden, und seine Stimme rollte zur offenen, festgehakten Cafétür herein. Er lachte laut. Sein Lachen klang wie eine Betonmischmaschine in der Stille. Diesmal trug Milt einen Hut mit einer breiten Krempe. »Ich hab dein schreckliches Auto da draußen gesehen.«
»Was sagt er?«, fragte Sven. »Wer ist das? Einer von diesen Verrückten von Solhem?«
»Ein Amerikaner«, antwortete Johnny. »Aber er heißt Ericson.«
»Ein Amerikaner, hier?«
»Du hast doch die Brüder Cartwright gesehen«, sagte Johnny.
»Ist er ein Cowboy?«, fragte Sven.
Milt war auf dem Weg ins Café und hatte schon die rechte Hand ausgestreckt.
» Isterband! «, rief er. Er nahm den Hut im Gehen ab.
» Isterband! «
»Er ist verrückt«, sagte Sven.
Milt war in dem alten Land geblieben.
»Mir hat es so gut in Bodils Hotel gefallen«, sagte er, während sie bei einem Kaffee und Svens frischen
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