Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Junge aus dem Meer - Roman

Der Junge aus dem Meer - Roman

Titel: Der Junge aus dem Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
würden. Ich war noch nie betrunken gewesen, hatte noch nie mehr als ein oder zwei Schluck Bier getrunken – nicht einmal bei Gregs in Abwesenheit der Eltern gefeierten Schulabschlussparty. Ich war mir sicher, dass ich das Gefühl, außer Kontrolle zu geraten, bestimmt nicht gemocht hätte.
    Während alle anderen, einschließlich CeeCee und ihre Freundinnen, darauf warteten, dass ihre Plastikbecher gefüllt würden, zog ich mich ein paar weitere Schritte von der aufgeregten Gruppe zurück. Ich bemerkte plötzlich, wie sich alle ähnelten: die Mädchen mit ihrem dichten Haar und die Jungs mit ihren kräftigen Kiefern. T. J. drehte eilig die Flasche auf und goss klare Flüssigkeit in einen Becher, während Jacqueline lachte und Macon auf die Wange küsste. Was hatte ich mir bloß dabei gedacht? Ja, ich war zwar technisch gesehen eine Erbin, aber ich war nicht Teil dieser Horde.
    »Wo willst du hin, Miranda?«, fragte T. J. und blickte mich an, während er weiter einschenkte. Er schien beleidigt, dass ich mich in seinem größten Moment entfernte.
    »Willst du nichts trinken?«, fragte Virginia mit tadelndem Unterton in ihrer Stimme.
    »Ich bin gleich wieder da«, erwiderte ich nicht ganz aufrichtig, nunmehr fest entschlossen, nach Mom Ausschau zu halten. Ich wollte von ihr wissen, wieso sie noch nicht gekommen war, um mich zu retten.
    Als ich mich umdrehte, hatte ich die Antwort. Mom stand nahe der Band und hielt ein Glas Weißwein in derHand. Sie lachte, und ihr Gesicht hatte einen rosigen Teint. Und die Person, die dicht neben ihr stand und sie zum Lachen brachte, war niemand anderer als T. J.s Vater, Mr. Illingworth. Ich holte tief Luft, weil mir plötzlich einfiel, wie Mom am Tag zuvor aus dem Hafen geflüchtet war. Und dann waren da noch Delilahs neckische Bemerkungen. Gab es da etwas, was mir meine Mutter nicht erzählte?
    Ich konnte diese Art von Chaos, die sich in meinem Kopf ausbreitete, nicht ertragen. Also lief ich zurück und sah an den jungen Erben vorbei zum Strand, zu den Wellen, die sich auftürmten und am Ufer brachen. Der Strand, so dachte ich, war der Ort, wo ich hingehörte – inmitten von Muscheln und Krebsen, die weder lachten, noch flirteten, noch urteilten. Wenn sich meine herumwirbelnden Gedanken erst einmal beruhigt hatten, könnte ich wieder zur Party zurückkehren.
    Während der Wind meinen Rock aufbauschte, bahnte ich mir also einen Weg über die Stufen der Strandpromenade und lief über den Sand. Die Geräusche der klirrenden Gläser und Unterhaltungen der Partygäste wurden vom tosenden Brausen des Meeres verschluckt.

K APITEL 5
Entdeckungen
    I ch war nicht darauf vorbereitet, dem Jungen zu begegnen. Länger als beabsichtigt war ich am Strand entlanggelaufen und hatte versucht, mir auf meine Unterhaltung mit T. J. sowie Moms Anblick, als sie mit Mr. Illingworth gesprochen hatte, einen Reim zu machen. Die Kinder, die am Strand Sandburgen bauten, und die fröhlich im Wasser herumtollenden Paare bemerkte ich kaum. Ich nahm lediglich die Muschelscherben und die kreischenden Seemöwen wahr. Schon bald gab es nichts Besonderes mehr zu sehen. Je weiter das Wasser vordrang und gegen schroffe Felsen klatschte, desto weniger Menschen fanden sich am Strand, und schließlich stellte ich fest, dass
The Crabby Hook
und die Strandpromenade schon ein ganzes Stück hinter mir lagen.
    Daher schreckte ich beim Anblick des großen, sonnengebräunten Jungen mit dunkelblondem Haar auf, der vom anderen Ende des Strands auf mich zukam. Er schleppte ein zusammengebundenes Seil und eine Angelrute mit sich; seine Armmuskeln zeichneten sich deutlich unter dem verblichenen roten T-Shirt ab. Er trug eine an den Knien abgeschnittene, zerlumpte Zimmermannshose, und seine braungebrannten Beine waren ebenso muskulös wie seine Arme. Ich schätzte, dass er ungefähr in meinem Alter war, doch er sah nicht wie jemand aus, den die Kids von der Erben-Party gekannt hätten.
    Aus irgendeinem Grund blieb ich stehen und ließ meine Schuhe in den Sand einsinken. Hinter dem Jungen schien der Strand in den Nebelschwaden zu verschwinden, und mir wurde plötzlich klar, wie allein ich war. Ein plötzlicher Anfall von Furcht überkam mich, und ich erwog, mich umzudrehen und zurück zur Strandpromenade zu rennen. Doch dann rief ich mich selbst zur Ordnung. Warum geriet ich in letzter Zeit immer so grundlos in Panik?
    »Hast du dich verlaufen?«, fragte der Junge und winkte mir mit einer Hand zu.
    »Ganz und gar nicht«, erwiderte ich

Weitere Kostenlose Bücher