Der Junge aus dem Meer - Roman
vorbeigekommen, um ein paar regionale Köstlichkeiten abzuliefern.« Mit einem Tusch deutete CeeCee auf gebratene Schinkenstreifen, goldbraune Maismehlklößchen und eine Schale Grit.
»Ach, weißt du, ich hab keinen Hunger«, murmelte ich und rieb mir den Schlaf aus den Augen. Frühstück, das hieß für mich immer Vollkorntoast und ein Becher Erdbeerjoghurt.Ich hatte den Grit noch nie probiert, aber seine gräuliche Breiigkeit reizte mich nun wirklich nicht.
»Mama sagt, ein echter Südstaatler müsse immer Grit im Haus haben«, betonte CeeCee, kam zu meinem Bett herübermarschiert und setzte das Tablett vor mir ab. »Du isst das auf, und ich erzähle dir alles, was du wissen musst.«
»Wovon redest du?«, fragte ich, noch immer halbwegs in meinem Traum unterwegs – irgendetwas mit einem grünschuppigen Fisch, der zwischen meinen Händen schwamm.
»Also, Punkt eins, T. J. Illingworth möchte dich wiedersehen«, sagte CeeCee und ließ sich mit einem strahlenden Lächeln auf meine Bettkante plumpsen. »Bevor ich die Party verließ, hat er mich gefragt, ob du im Alten Seemann wohnst. Dir ist doch wohl klar, was das bedeutet? Er will vorbeikommen und dich besuchen!« Ihre bereits riesigen Augen wurden noch größer.
»Im Ernst?« In meinem Zustand, mit ausgetrocknetem Mund und verwuschelten Haaren, konnte ich mir kaum vorstellen, dass ein Vertreter des anderen Geschlechts mich attraktiv finden könnte. Trotzdem zog sich mein Magen bei dem Gedanken, dass ein Junge wie T. J. nach mir gefragt hatte, vor Aufregung zusammen.
»Jep«, bestätigte CeeCee und schob die Schale Grit näher an mich heran. »Hab ich nicht gesagt, dass ihr beiden euch bestimmt gut versteht? Und es war ein cleverer Schachzug, dass du dich mittendrin einfach so weggeschlichen hast. Jungs stehen echt total auf Geheimnisse.«
»Ähm, ich hab mich gar nicht …« Ich hielt inne und nahm einen Löffel vom Tablett. CeeCee würde nicht verstehen, wieso ich die Party gestern verlassen hatte, doch es gab eine Chance, dass sie etwas über Moms Vergangenheit mit Mr. Illingworth wusste.
Bevor ich das Thema zur Sprache bringen konnte, plapperte CeeCee weiter. »Sieht so aus, als ob sich alle Sommerflirts zusammenfinden!« Sie begann, an ihren Fingern abzuzählen. »Als der Rum erst mal in Strömen geflossen ist, konnten Virginia und Rick nicht mehr die Finger voneinander lassen, und nach der Party haben sich Jacqueline und Macon zu Macons Haus geschlichen. Und Jackie war heute Morgen nicht im Gästezimmer, um es mal so zu sagen.« CeeCee zwinkerte mir zu und pflückte sich dann einen Streifen Bacon von meinem Teller.
»Wirklich?«, fragte ich, wieder einmal komplett unschuldig und kindlich erstaunt über Jacquelines und Virginias mühelose Eroberungen. »Und was ist mit dir?«
CeeCee zuckte mit den Schultern. »Lyndon und ich haben uns beim Sonnenuntergang am Strand geküsst. Er kann überhaupt nicht gut küssen, aber jetzt weiß ich immerhin, dass Bobby der Richtige für mich ist«, erklärte sie und warf ihr Haar über die Schulter nach hinten.
»Aber … was ist, wenn Bobby auch nicht küssen kann?«, fragte ich ernsthaft interessiert, während ich den Löffel in den Grit tauchte.
Nicht, dass ich einen guten von einem schlechten Küsser hätte unterscheiden können; meine einzige Erfahrung war Greg gewesen. Für einen Moment fragte ich mich, wie es wohl wäre, einen Jungen am Strand zu küssen, während die Sonne im Wasser versank, und meine Beine fingen an zu kribbeln.
Ich
hatte beim Sonnenuntergang gestern Isadoras Aktenschrank aufgeräumt, während Mom das Abendessen vorbereitet hatte.
»Du bist so negativ, Miranda!«, stellte CeeCee fest und zog einen Schmollmund.
»Nur realistisch«, korrigierte ich sie und probierte denGrit. Er war weich und cremig und schmeckte erstaunlich gut.
»Du meinst wohl lang-wei-lig«, gab CeeCee kichernd zurück.
CeeCees Meinung über mich war mir nicht besonders wichtig, trotzdem verspürte ich einen Stich.
War
ich langweilig? Ich hatte mir immer etwas auf die Tatsache eingebildet, dass ich mich im Laufe der Jahre nicht viel verändert hatte und, unabhängig von Trends, denselben Stil und ähnliche Interessen beibehielt. Aber vielleicht machte mich das bloß … berechenbar. Gewöhnlich.
»Oh, ich hab nur Spaß gemacht, Miranda«, rief CeeCee. Sie hatte die Mundwinkel heruntergezogen. »Tut mir leid, ich sag immer alles, was mir gerade in den Kopf kommt. Kann ich’s im Laufe des Tages wieder
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