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Der Junge aus dem Meer - Roman

Der Junge aus dem Meer - Roman

Titel: Der Junge aus dem Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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unzweifelhaft war er derselbe Junge, mit demselben glatten goldenen Haar, den hohen Wangenknochen und den hellen grünen Augen. Ich begriff gar nichts mehr. Wie selbstverständlichhatte ich angenommen, er wäre ein junger Fischer oder irgend so eine Art heimatloser Strandhippie.
    »Klar, natürlich«, antwortete Leo mit der tiefen, heiseren Stimme. Er sprach zu dem Mädchen, blickte mich aber direkt an. »Je mehr dabei sind, desto lustiger wird’s.«
    Ich spürte, wie CeeCee mir oberhalb des Ellbogens in den Arm kniff. »Augenschmaus-Alarm«, flüsterte sie. »Los, lass uns mit auf die Tour gehen.«
    »Ach, ich weiß nicht«, erwiderte ich zögernd und spürte dabei, wie meine Wangen ganz heiß wurden. Würde Leo irgendwas zu mir sagen? Würden wir beide so tun, als wären wir uns gestern nicht begegnet? Ich hatte keinerlei Erfahrung mit einer solchen Situation.
    »Es war
deine
Idee hierherzukommen, Missy«, sagte CeeCee und schob mich in Richtung Leo, der jetzt in die Hände klatschte und die Besucher bat, sich um ihn zu scharen. »Wir gehen mit.«

K APITEL 6
Erforscher
    W illkommen im Selkie Island Research Center, dem Zentrum für Meereskunde«, sagte Leo an die Menge gewandt. Seine Augen glitzerten. »Eine Schenkung der Familie Illingworth«, fügte er in einem ironisch klingenden Bariton hinzu, und ich spürte ein Lächeln um meine Lippen spielen.
    »Süß, aber er muss von hier sein«, flüsterte CeeCee geringschätzig. »Der totale Fisherman’s-Village-Typ.«
    Ich wollte von CeeCee wissen, was sie meinte, doch die Frau vor uns sah genervt zu uns rüber. Jetzt war nicht die Zeit zum Quatschen. Hinter uns standen – ich hatte zweimal hingesehen, um mich zu vergewissern – der nervöse blonde Junge von der Fähre und seine Eltern.
    »Wir sind viel mehr als ein Aquarium«, fuhr Leo fort und breitete seine langen, gebräunten Arme aus. »Dieses Zentrum kümmert sich um den Schutz wildlebender Tiere und betreibt umfangreiche Forschungen in den Sumpfgebieten von Selkie sowie am Siren Beach.«
    Ich musste tief Luft holen. Ich konnte gar nicht fassen, wie jungenhaft Leo gestern am Strand gewirkt hatte, wo er sich doch jetzt so offiziell gab. So professionell. Auch hatte er, seitdem CeeCee und ich uns der Gruppe angeschlossen hatten, nicht mehr zu mir herübergesehen, sodass ich mich schon fragte, ob er sich überhaupt an mich erinnerte.
    »Dies hier«, sagte Leo und führte uns in einen spärlich beleuchteten Raum, in dem es nach Salz roch, »ist unser Aquarium, wo Sie einige der interessantesten Bewohner Selkies betrachten und manchmal auch anfassen können.«
    Ich drehte die Broschüre in meinen Händen herum und nahm die erleuchteten und mit Sand ausgestreuten Becken voller Krebse und Quallen sowie die berühmten Baby-Alligatoren kaum wahr. Wieso,
wieso
bloß schien plötzlich mein ganzes Gesicht in Flammen zu stehen, als Leo das Wort
anfassen
sagte? Ich war dankbar für die Dunkelheit im Raum, schielte aber zu CeeCee hinüber, um sicherzugehen, dass sie meinen roten Kopf nicht bemerkt hatte. Glücklicherweise checkte sie gerade ihr BlackBerry.
    »Sie können sich hier ganz frei und ungehindert bewegen«, erläuterte Leo. »Die Informationstafeln neben den Becken verraten Ihnen jede Menge über die kleinen Kerle da drinnen, aber wenn Sie irgendwelche Fragen haben, schießen Sie los. Und diejenigen, die sich gern mit einem Baby-Alligator anfreunden möchten, folgen mir bitte.«
    Sofort bahnte sich eine Meute den Weg zu den Baby-Alligatoren, während ein paar Kinder noch die Becken mit den Seespinnen bewunderten.
    »Ich bin mal für ’ne Minute draußen«, murmelte CeeCee, verzog das Gesicht und warf ihr Haar zurück. »Ruf mich an, wenn’s spannend wird, okay?« Bevor ich ihr sagen konnte, dass ich mein Handy gar nicht dabei hatte, warf sie mir einen Kuss zu und eilte aus dem Raum.
    Unerklärlicherweise wurde mein Herzschlag heftiger. Während ich mir die Broschüre in die Gesäßtasche meiner Jeans stopfte, ertappte ich mich dabei, wie ich zu dem Alligatorbecken hinüberschlenderte – und damit zu Leo. Als ich ankam, hielt ich mich ein wenig abseits der Menge,die das Geschehen mit ›Aaahs‹ und ›Ooohs‹ kommentierte.
    Leos rechter Arm war ausgestreckt, und auf seiner Hand saß ein kleiner Alligator. Sein Schwanz schlug gegen Leos Handgelenk, und seine uralt wirkenden Reptilienaugen zwinkerten ununterbrochen. Der Junge von der Fähre streichelte wagemutig den schuppigen Körper des Alligators.
    »Das

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