Der Junge aus dem Meer - Roman
Geschmack!«
»Was meinst du, CeeCee?«, fragte ich und lehnte mich grinsend an den Türrahmen. »Zu
langweilig
?« Das Meerkundezentrum zu besuchen und damit gleichzeitig CeeCee zu ärgern, schien mir der perfekte Zeitvertreib für Selkie Island zu sein.
CeeCee stöhnte ergeben und schob ihren Stuhl vom Tisch weg. »Okay, okay, du bist der Boss. Also das Research Center. Aber danach essen wir frittierte Garnelen bei THE FISH TALE und legen uns an den Siren Beach.«
Siren Beach.
Ohne Vorwarnung musste ich an den seltsamen Jungen von gestern denken und spürte, wie meine Wangen rot wurden. Würde er wieder dort sein?
Und wenn schon, was hatte das zu bedeuten? Schließlich gab es da einen anderen Typen, auf den ich meine Aufmerksamkeit richten konnte.
»Abgemacht«, sagte ich und ging zu CeeCee hinüber. »Und später können wir versuchen, uns mit unseren … Flirts zu treffen«, fügte ich kühn hinzu. Überrascht öffneten sich CeeCees Lippen, und ich reckte zufrieden mein Kinn. Wer war hier langweilig?!
***
Das Zentrum für Meereskunde auf Selkie Island war in einem bescheidenen, grünen Haus am Rande der Strandpromenade untergebracht, nur ein paar Schritte von
The Crabby Hook
entfernt. Eine glänzende Tafel an der Seite des Zentrumsverkündete, dass es sich um Eine Schenkung der Familie Illingworth handelte. Während CeeCee die Fliegengittertüren öffnete, betrachtete ich die an den Fenstern festgeklebten, handgeschriebenen Flyer. Einer unterrichtete uns davon, dass das Zentrum montags, mittwochs und freitags zwischen zwölf und sechs geöffnet war. Ein weiterer Flyer warb mit Strandspaziergängen, bei denen die örtliche Flora und Fauna beobachtet werden konnte, und ein dritter kündigte eine Ausstellung mit Baby-Alligatoren an. Nichts Außergewöhnliches, aber schließlich hatte ich auch nicht das Museum of Natural History erwartet.
Der von einer Klimaanlage gekühlte Eingangsbereich war voller kleiner Kinder und miteinander plaudernder Eltern. An der Wand hing eine Unterwasseraufnahme von Korallenriffen sowie ein Schild, auf dem Besuchen Sie unsere gepunkteten Fledermausfische! stand. Ich seufzte zufrieden. Hier fühlte ich mich mehr zu Hause als im Alten Seemann – ganz eindeutig nicht das kleinste Anzeichen von Märchen oder Legenden.
CeeCee und ich liefen zum Tresen in der Ecke, der von einem jungen Mädchen mit hübschen Dreadlocks und einer Brille mit Alurahmen bedient wurde.
»Zwei Mal, bitte«, sagte CeeCee in gebieterischem Ton zu dem Mädchen und reichte ihm einen Fünf-Dollar-Schein. Als wir vom Alten Seemann weggegangen waren, hatte CeeCee darauf bestanden, dass der Besuch auf ihre Kosten ginge.
Während ich dem Mädchen dabei zusah, wie es mit geschäftiger Miene seine Schlüssel auf den Tresen legte, wurde mir klar, dass es mich ein wenig … an mich selbst erinnerte.
»Das ist hier bestimmt ein toller Arbeitsplatz«, vermutete ich laut und betrachtete die übereinandergestapelten Broschüren auf dem vollgepackten Tresen.
»Ist mein Sommerjob«, erwiderte das Mädchen nüchtern und warf mir einen erstaunten Blick zu. Mir kam in den Sinn, dass es wahrscheinlich das ganze Jahr auf der Insel lebte – eine Einheimische also – und nicht ganz nachvollziehen konnte, wieso ich mit ihm sprach. Am liebsten hätte ich mit den Lippen
Ich gehöre nicht zu denen!
geformt.
»Was kann man hier drinnen machen?«, fragte CeeCee naserümpfend, während sie von dem Mädchen zwei Eintrittskarten entgegennahm.
»Wir haben den Aquarienraum mit Schnappschildkröten, Kugelfischen und dem Atlantischen Oktopus«, erwiderte das Mädchen routiniert und reichte mir eine der Broschüren. »Und Leo wird die Kinder hier durch das Zentrum führen …«, sie blickte auf ihre Uhr, »… und zwar genau jetzt.«
»Gott steh uns bei«, murmelte CeeCee mit einem Blick auf den Haufen aufgeregter Kinder.
»Wer ist Leo?«, fragte ich, während ich die Broschüre durchblätterte und dachte, dass eine Tour durch das Zentrum vielleicht Spaß machen könnte.
»Er ist unsere andere Sommeraushilfe«, sagte das Mädchen und zeigte über meine Schulter. »Da ist er ja. Hey, Leo!«, rief es. »Kannst du noch zwei mit auf die Tour nehmen?«
Ich drehte mich um – und mein Herz rutschte mir in die Hose.
Leo war der Junge, dem ich am Strand begegnet war.
Er sah anders aus als gestern – sauberer –, trug jetzt ein weißes Polohemd mit einem Namensschild, auf dem
Leo M.
stand, sowie dunkelblaue Shorts und Flip-Flops. Doch
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