Der Junge aus dem Meer - Roman
Urlaubsgeschenk. Es fiel schwer, an solch einem Tag weiter verärgert zu sein; beladen mit Lebensmitteln waren Mom und ich auf dem Weg zurück zum Alten Seemann schon etwas entspannter. Mom hatte sogar einen Witz über die Anzahl der Konföderierten-Flaggen gemacht, die neben den amerikanischen hingen. Dennoch war die Stimmung zwischen uns komisch, und es gab keine Unterhaltung über T. J. oder seinen Vater.
Ich zog jede Schublade meiner Kommode auf und blickte entmutigt auf meine Klamotten. Der löchrige Rock, den ich zur Thronerben-Party getragen hatte, stand außer Frage, und kein einziges anderes Kleidungsstück wäre wahrscheinlich schick genug für Bobbys Boot.
Mein Blick wanderte zu den nackten Füßen hinunter, dann sah ich schnell in den Spiegel über der Kommode. Meine Haare waren in einen Handtuchturban gewickelt, was meine Augen groß erscheinen ließ, und die Haut war von der Hitze des Bads gerötet. Mir fiel ein, wie Leo mich nach dem Sturm angesehen hatte. Ich wünschte, ich hätte mich selbst so sehen können wie er, doch dann ermahnte ich mich, dass er seine Bewunderung wahrscheinlich nur vorgetäuscht hatte, um mich zu seinem Haus zu locken.
Ich betrachtete mein Spiegelbild eingehender. Meine Wimpern waren zu kurz, meine Brauen zu dicht, meine Lippen viel zu blassrosa. Ich erinnerte mich an T. J.s Bemerkung, dass der Alte Seemann etwas mehr Glanz gebrauchen könne – und war plötzlich wild entschlossen.
Ich würde es tun. Ich würde es richtig machen.
»Mom?«, rief ich fünf Minuten später und lief in Jeansund einem Button-down-Hemd die Treppe hinunter. Meine Haare hatte ich wie üblich zu einem Pferdeschwanz gebunden. »Wie komme ich zu CeeCees Haus?«
Mom, die zur Abwechslung mal ausruhte, saß auf der hinteren Veranda und las die dienstägliche Wissenschaftsbeilage der New York Times ; sie ließ sich unser Abonnement für diesen Monat in den Alten Seemann nachsenden. Ich war froh darüber und hatte beim Frühstück einen Artikel über In-vitro-Fertilisation verschlungen. Ich war schon ganz ausgehungert nach wissenschaftlichen Beiträgen.
Mom sah auf und schob ihre Sonnenbrille nach oben auf den Kopf. »Woher das plötzliche Bedürfnis, Miss Cooper zu sehen?«, fragte sie mit einem Lächeln.
Ich erzählte ihr von meinem Vorhaben, die Thronerben zu treffen – klammerte dabei T. J.s Namen aus, auch wenn er stillschweigend in der Luft hing –, und ihr Gesicht hellte sich auf. Sie sagte, dass sie sich ebenfalls das Feuerwerk ansehen wollte, allerdings mit Delilah und ›ein paar Freunden‹ vom Strand aus. Die Andeutung ihrerseits schien ebenfalls einen Illingworth mit einzuschließen, aber ich war dankbar, dass sie seinen Namen nicht aussprach.
Mom erklärte mir den Weg zum Haus der Coopers und stand dann auf. »Warte mal«, sagte sie und fasste in die Tasche ihrer weiten Leinenhose. »Ich hab was für dich.«
Und dann zog sie einen goldenen Schlüssel hervor.
Mein Herz setzte aus. Wie um alles in der Welt …
»Ich hab dir extra einen machen lassen«, sagte Mom und lächelte mich zerknirscht an. »Ich dachte, du kommst heute bestimmt spät nach Hause, da …«
Mein Atem ging wieder normal.
Okay.
Es war der Haustür-, nicht der Kofferschlüssel. Und es war Moms Art, mir zu zeigen, dass mein inoffizieller Hausarrest erstmal vorüberwar. Ich dankte ihr, nahm den Schlüssel und machte mich auf den Weg.
Das Haus der Coopers lag nicht weit vom Alten Seemann entfernt, und obwohl es ein schwüler Nachmittag war, hatte ich kaum geschwitzt, als ich die Poseidon Street erreichte. Das Anwesen war eine kleinere, besser gepflegte Ausgabe des Alten Seemanns, mit einem ordentlich gemähten Rasen, modern aussehenden Fenstern, die vom Boden zur Decke reichten, und einem schimmernden Swimmingpool im Garten. Ich klingelte an der Tür und war leicht nervös wegen meines unangemeldeten Besuchs. Mom hatte mir versichert, dass die Leute auf Selkie so etwas die ganze Zeit machten, doch ich hatte das Gefühl, dass ich CeeCee eigentlich zuerst hätte anrufen sollen. Ich war schon darauf vorbereitet, mich bei Delilah oder CeeCees Vater zu entschuldigen, sobald einer von ihnen die Tür aufmachte.
Die jedoch wurde von einer zierlichen Frau in einer Dienstmädchenuniform geöffnet, die sich mir als Althea vorstellte. Ich war überrascht. Hausmädchen oder Butler gehörten für mich nur in Herrensitze des neunzehnten Jahrhunderts.
Als ich sagte, dass ich gekommen sei, um CeeCee zu besuchen, führte mich
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