Der Junge aus dem Meer - Roman
Althea durch das pastellfarbene Wohnzimmer. Delilah ruhte, mit Gurkenscheiben auf den Augen, auf dem Sofa. Als ich an ihr vorbeilief, hob sie eine der Scheiben an und sagte, sie würde sich freuen, meine Mutter heute Abend zu treffen. CeeCees Vater klebte vor dem Plasma-Fernseher und schaute sich ein Golfspiel an; er sah noch walrossiger aus, als ich ihn in Erinnerung hatte.
Ich folgte Althea nach oben bis zu CeeCees Zimmertür, die mit Schnappschüssen – offenbar alle im letzten Sommer aufgenommen – gepflastert war: CeeCee, Virginia, Jacqueline,T. J., Bobby, Macon, Rick und alle anderen. Alle waren gleichmäßig gebräunt und fotogen, alle lachten und räkelten sich auf Strandtüchern. Beim Anblick dieser Fotos fragte ich mich, ob ich CeeCee später überhaupt treffen sollte oder den Vierten Juli doch besser im Alten Seemann verbrachte.
Doch dann öffnete CeeCee die Tür – und kreischte.
»Ich kann nicht glauben, dass du gekommen bist!« Sie trug nichts als einen beigefarbenen BH und einen mit kleinen Rosen besetzten Slip, wirkte aber völlig ungeniert. Am Handgelenk zerrte sie mich in ihr Zimmer, das in verschiedenen Lilatönen gestrichen war und nach ihrem blumigen Parfum duftete. Nachdem ich die letzten Tage alleine im Alten Seemann verbracht hatte, überkam mich sofort ein wohliges Gefühl, als ich diese Blase aus Weiblichkeit betrat. Virginia und Jacqueline, die farbenfrohe Strandkleider trugen und Zitroneneis schleckten, lungerten auf einem anscheinend riesigen Bett herum – die Größe war schwer zu erkennen, da es über und über mit Klamotten bedeckt war. Weitere Kleidungsstücke lagen auf dem Boden verstreut, und CeeCees Frisiertisch war unter den Bergen von Schönheitsmittelchen kaum auszumachen. Eine Minianlage, aus der Popmusik dudelte, stand unsicher auf einem Stapel aus grünen und rosafarbenen Taschenbuchromanen. Ich musste an mein gut organisiertes, aufgeräumtes Zimmer zu Hause in Riverdale denken – als ›abnorm ordentlich‹ hatte Linda es immer bezeichnet. CeeCee befand sich am anderen Ende der Abnormität.
»Althea, bringst du uns noch mehr Eis?«, befahl CeeCee, bevor sie dem Hausmädchen die Tür vor der Nase zuknallte. Ich zuckte zusammen, und CeeCee sah mich lächelnd an. »Was für ein Glück, dass sie jeden Sommer mit uns hier rauskommt«, erklärte sie.
»Was
machst
du hier, Miranda?«, rief Virginia vom Bett aus. Ich drehte mich um und bemerkte, dass sie nicht so gestylt wie sonst wirkte: Ihr Mascara war an den Augen verlaufen, das türkisfarbene Hängerkleid etwas zerknittert, und ihr Gesicht sah wütend aus.
»Beachte sie gar nicht«, sagte Jacqueline und klopfte mit dem Stiel ihres Eises auf Virginias Schulter. »Sie ist schlecht gelaunt, weil sie sich mit Rick gestritten hat.«
»Jedes schöne Gefühl hat seine Tränen, hätte meine Großmutter gesagt«, rief CeeCee kichernd und trat vor ihren Frisiertisch. »Sie tut sich selber leid.«
»Ich hab mich nicht mit Rick gestritten«, wandte Virginia ein, während ich dagegen ankämpfte, nicht an meinen Streit mit Leo zu denken. »Er hat sich an dieses Flittchen Kay McAndrews rangemacht, also ist Schluss. Die Wahrheit ist, dass ich was viel Besseres verdient hätte. Er spielt überhaupt nicht in meiner Liga.«
»Tja, deine Familie hat mehr Geld als seine, wenn du das meinst«, sagte CeeCee lachend und wandte sich zu mir.
»Aber warte mal«, fuhr sie fort. »Wieso
bist
du denn jetzt gekommen, Miranda?« So wie schon am Tag zuvor riss sie erwartungsvoll ihre Augenbrauen in die Höhe.
Mit einem Schulterzucken schob ich alle Zweifel beiseite. »CeeCee, ich möchte, dass du …«
Mich veränderst
klang viel zu endgültig. Außerdem glaubte ich nicht, dass jemand wirklich verändert oder einer Metamorphose unterzogen werden konnte. Diese Art von Veränderung passierte nur in der Natur – eine Puppe, die sich in einen Kometenfalter verwandelte, ein Chamäleon, das sich der braunen Farbe eines Baums anpasste. »… mir ein paar Sachen leihst«, sagte ich schließlich.
»Ich dachte schon, du würdest nie fragen«, seufzte CeeCeeglücklich. Jacqueline sprang gleich vom Bett, um ihre Hilfe anzubieten. Virginia hingegen biss bloß einen dicken Happen von ihrem Eis ab und schlug eins der Magazine auf, die über das Bett verteilt lagen.
Murmelnd und gackernd wie Hühner machten sich CeeCee und Jacqueline daran, ein paar Sommerkleider vom Boden aufzuheben und sie mir anzuhalten. Ich stand ganz still da und kam mir vor wie eine
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