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Der Junge aus dem Meer

Der Junge aus dem Meer

Titel: Der Junge aus dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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alles soll tatsächlich erst zehn Tage her sein! Für mich ist das schon so weit weg wie der Nordpol.“
    „Nicht daran denken, meine Freunde“, rief Emil Langhans und breitete seine Arme aus wie ein schlechter Schauspieler in einem Schmierentheater. „Wir sind doch alle nur arme Sträflinge mit sechs armseligen Wochen Bewährungsfrist!“ Beinahe im gleichen Augenblick erfaßte ihn eine Welle und wirbelte ihn mit den Füßen nach oben durch die Brandung.
    Wenig später trabten die Glorreichen Sieben über den Strand, der dicht am Meer fast so hart war wie der Boden einer Aschenbahn. Die Nacht hatte so ziemlich alle Sandburgen zerstört, und neben dem übrigen Treibgut hatte die Flut auch eine ganze Reihe von Benzinkanistern ans Ufer geschwemmt.
    „Schritt“, rief Paul Nachtigall nach einer Weile. Jetzt gingen die Jungen nebeneinander her, kreisten dabei die Arme, beugten sich beim Ausatmen nach vorn und beim Einatmen zurück. Der Wind hatte inzwischen ihre Körper getrocknet, und nur ein Rest von Meersalz glitzerte noch auf ihren Schultern oder auf ihren Beinen, je nachdem sie sich gerade in der Sonne bewegten oder inzwischen wieder ihre Hemden angezogen hatten.
    „Wieder Laufschritt, meine Herren“, kommandierte Paul Nachtigall, nachdem er zum Abschluß noch zehn einwandfreie Liegestützen vorgeführt hatte.
    Die Jungen winkelten die Arme an und trabten wieder los. Jetzt schlugen sie die Richtung zur Bojen ein, wo der Strand zu einem weiten Bogen ausholte und weiter ins Meer hinausging.
    Dort klebte dicht an den Dünen eine alte Holzbaracke mit einem Dach aus Wellblech. Daneben stand ein ziemlich hoher Fahnenmast mit einem großen, tintenblauen Nivea-Luftballon an der Spitze. Da sich der Wind inzwischen hin und her drehte wie einer, der nicht einschlafen kann, tanzte der Ballon an seiner Schnur auf und ab oder von einer Seite auf die andere.
    Die Boje 11 war bei den Strandläufen der Glorreichen Sieben schon vom ersten Tag an zur Wendemarke geworden. Hier drehten sie jeden Morgen ihre Ehrenrunde um die Fahnenstange, und der dickliche Otto Hugendubel stöhnte dabei ziemlich regelmäßig: „Damit hätten wir die Hälfte, Gott sei Dank!“ Jetzt ging es jeweils wieder zum Dorf zurück, wo dann Großmutter Kubatz immer schon mit dem Frühstück auf ihre sieben Feriengäste wartete.
    Aber heute sollte es anders kommen.
    Die Jungen hatten gerade die Bucht erreicht, hinter der das Schutzgebiet für Seevögel angelegt war, als zuerst Emil Langhans, der inzwischen wieder seine Hornbrille auf der Nase hatte, eine Gestalt bemerkte, die mutterseelenallein mitten auf dem Strand lag.
    Aber beinahe im gleichen Augenblick wurden auch die anderen aufmerksam, und Paul Nachtigall, der die Läufer anführte, schlug jetzt einen kleinen Bogen, so daß sie ein wenig näher an dem Schlafenden vorbeikamen. Und daß dieser Mensch im Sand da drüben schlafen würde, daran konnte es keinen Zweifel geben. Er lag genauso da und bewegte sich auch nicht. Sein Oberkörper war nackt, und als sie noch dichter auf ihn zuliefen, erkannten sie auch, daß es ein Junge war und daß er nichts als abgeschnittene Blue Jeans am Körper hatte. Sie waren ziemlich verwaschen und an den Rändern ausgefranst.
    „Hat wohl nicht alle Tassen im Schrank“, meinte Hans Pigge im Weiterlaufen. „Spätestens in einer Stunde hat der sich einen Sonnenbrand geholt, daß die Heide wackelt.“
    „Notfalls können wir ihn ja aufwecken, wenn wir zurückkommen“, meinte Paul Nachtigall. Dabei änderte er wieder die Richtung und steuerte hinüber zu der alten Baracke und der Fahnenstange mit dem tintenblauen Luftballon.
    Aber schon nach zwanzig oder dreißig Metern blieb Karlchen Kubatz ruckartig stehen, als hätte jemand bei ihm plötzlich die Notbremse gezogen. „Moment mal“, sagte er und drehte sich um die eigene Achse. „Fällt euch nichts auf?“
    „Ist doch bloß irgendein fauler Trick“, japste Otto Hugendubel. „Dir ist die Puste ausgegangen, und jetzt hast du Lust auf ‘ne kleine Pause.“
    „Ob euch nichts auffällt, habe ich gefragt“, beharrte Karlchen Kubatz. „Schaut doch mal genau hin.“
    „Mach’s nicht so spannend“, meinte Paul Nachtigall. Er hatte inzwischen auch den Lauf unterbrochen und war die paar Schritte zurückgekommen. Zusammen mit den anderen stand er jetzt neben Karlchen Kubatz. Alle blickten hinüber zu dem Jungen, der dort am Strand lag.
    „Rund um ihn herum nur ein paar Eindrücke von Möwenfüßen im Sand“, stellte

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