Der Junge aus dem Meer
schwierige Vorgänge in einem so komplizierten Mechanismus wie dem menschlichen Gehirn.“ Er räusperte sich und fügte bissig hinzu: „Das allerdings bei jedem Menschen verschieden entwickelt ist.“
„Herr Professor, wir versprechen, es ganz kurz und schmerzlos zu machen“, rief jetzt ein jüngerer Mann in einer Lederjacke. Er hatte seine Fernsehkamera gerade abgeschaltet und nahm den Kopfhörer ab. „Wir werden mit ihm umgehen wie mit einem rohen Ei.“
„Vorerst schläft der Junge noch“, schwindelte Professor Schreiber. „Sagen wir also — in einer halben Stunde“, er blickte wieder auf seine Armbanduhr. „Und dann wirklich nur fünfzehn Minuten.“
„Abgemacht“, bestätigte der Ältere in der karierten Sportmütze. Daraufhin schlenderte der zierliche Professor zwischen den beiden Riesen zum Haus Seestern zurück.
Kriminalkommissar Michelsen machte Karlchen Kubatz zuliebe wieder das Klopfzeichen, und der Junge ließ die drei Herren eintreten. Aber kaum hatte er die Tür hinter ihnen geschlossen, verkündete Paul Nachtigall bereits: „Unternehmen Psycho ist angelaufen.“
„Sonnenstich im Schatten ist mal was Neues“, bemerkte Professor Stoll, und Kriminalkommissar Michelsen fragte: „Bei euch piept’s wohl. Was ist denn auf einmal los?“ Aber als die Glorreichen Sieben ihren Plan genauer erklärten, änderten die Herren ihre Meinung, und Professor Schreiber rieb sich sogar die Hände und sagte: „Ja, so könnte es funktionieren.“
„Meinen Segen habt ihr jedenfalls“, lachte Kriminalkommissar Michelsen. Er hatte inzwischen gemeinsam mit Herrn Lüders eine Tasse Kaffee getrunken und fühlte sich fast wieder munter. „Sie helfen sich ja sowieso besser allein“, meinte er noch. „Wenn es etwas gibt, wir sind in unserem Büro.“ Er grüßte freundlich und fuhr kurz darauf zusammen mit seinem Assistenten aus dem Hof.
Den ersten Schritt — und gleichzeitig den schwierigsten Teil — des Unternehmens Psycho hatten die Glorreichen Sieben aus verschiedenen Gründen leider Florian überlassen müssen. „Hoffentlich ist er nicht zu dämlich“, hatte Emil Langhans noch befürchtet. Aber der Junge mit den Sommersprossen und den flachsblonden Haaren hatte zu diesem Zeitpunkt einen Teil seines Auftrags bereits erfüllt.
Vor ein paar Minuten hatte er im Café Rundblick Herrn Albert Landauer entdeckt und hinter einer breit aufgeschlagenen Zeitung hervorgeholt. Inzwischen schlenderte er mit ihm schon über die Landstraße hinter einen kleinen Hügel, wo Peter und Paul herumstanden und sich langweilten.
Florian hatte den Hypnotiseur unterwegs in den Plan der Glorreichen Sieben eingeweiht, und erstaunlicherweise hatte Herr Albert Landauer nicht widersprochen. „Einverstanden“, erklärte der Mann mit den grüngelben Eulenaugen. „Allerdings begreife ich nicht, weshalb wir nicht ganz einfach zu Fuß gehen?“
„Weil wir nicht über die Dünen können. Das dauert zu lange, und dann würden diese Presseleute Krach schlagen. Sie sind sowieso schon ungeduldig“, antwortete Florian. „Wenn wir den Weg abkürzen, müssen wir aber ein Stück durchs Watt, und dazu brauchen wir die Pferde.“
„Ihr müßt es ja wissen“, meinte Herr Albert Landauer und ließ sich zuerst einmal mit dem linken Schuh in den Bügel helfen.
„Können Sie überhaupt reiten?“ fragte Florian.
„Nicht besonders gut“, erwiderte der Mann mit den Eulenaugen. „Aber in der Not frißt der Teufel Fliegen.“
„Vielleicht hätten Sie Paul vorher ein bißchen hypnotisieren sollen, damit er Sie nicht abwirft“, schlug das Sommersprossengesicht vor und grinste dabei. „Ihr Pferd heißt nämlich so, und eigentlich ist Paul im allgemeinen ein ganz ruhiger Bürger.“ Dabei schob er Herrn Landauer in den Sattel und gab ihm die Zügel in die Hände.
„Das mit dem Hypnotisieren hätten Sie mir früher vorschlagen sollen, junger Mann“, erwiderte Herr Landauer. „Aber ich bin nicht sicher, ob sich Pferde so etwas gefallen lassen.“
„Das hier ist Peter“, bemerkte der semmelblonde Florian, während er gleichzeitig mit einem einzigen Sprung aufgesessen war. Er kam dicht heran und griff das Pferd von Herrn Landauer bei der Trense. Dann schnalzte er mit der Zunge, und die beiden Tiere setzten sich in Bewegung.
„Sie nehmen mich ja wie einen Hund an die Leine“, protestierte der Hypnotiseur in seinem schwarzen Anzug. „Lassen Sie mal, ich glaube, daß ich es auch allein schaffe.“
„Muten Sie sich da nicht
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