Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Junge aus dem Meer

Der Junge aus dem Meer

Titel: Der Junge aus dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
Vom Netzwerk:
Klinik nach Hamburg.“
    Bisher war Herr Albert Landauer für den schwarzhaarigen Jungen vor allem durch den breiten Rücken von Florian verdeckt geblieben. Jetzt trat das Sommersprossengesicht zur Seite, und schon im selben Moment richteten sich die großen Schleiereulenaugen des Hypnotiseurs in den Blick von Alexander. Der Junge erschrak, machte einen Schritt zurück und öffnete den Mund, als ob er etwas sagen wollte.
    Aber Herr Landauer beruhigte ihn sofort. Er blickte ihm noch tiefer in die Augen und sagte: „Wir kennen uns nicht.“ Er versuchte zu lächeln. „Viele Menschen, die mich zum erstenmal sehen, sind erstaunt und vielleicht sogar erschreckt. Das kommt von meinen Augen, ich weiß es. Aber beruhige dich.“ Er sprach jetzt genauso leise und eindringlich, als ob er auf der Bühne seine Vorstellung geben würde. „Sei ganz ruhig, mein Junge — ganz ruhig“, und Alexanders Erstarrung löste sich tatsächlich im Handumdrehen wieder auf. Dabei blickte er jetzt beinahe wie verwundert in die großen grüngrauen Eulenaugen des Hypnotiseurs. Aber auch der untersetzte Mann in dem schwarzen Anzug behielt den schwarzhaarigen Jungen in seinem Blick.
    „Was ist, Alexander?“ fragte Professor Schreiber etwas besorgt. „Wollen wir den Versuch lieber abbrechen?“ Er drehte jetzt seinen etwas zu großen Kopf in die Richtung von Herrn Landauer. „Was vermuten Sie? Haben Sie irgendwelche Befürchtungen?“
    Der Mann, der sich abends auf der Bühne Psycho nannte, schien die Bemerkung des Professors gar nicht gehört zu haben. Er hatte den schwarzhaarigen Jungen nicht mehr aus seinem Blick gelassen und fragte ihn jetzt: „Du weißt, daß ich dir helfen will, dein Gedächtnis wiederzufinden? Das weißt du? Und du möchtest doch auch, daß du dich wieder an deinen Namen erinnern kannst und daran, wo du herkommst?“
    „Ja“, sagte Alexander leise. „Bitte helfen Sie mir.“
    „Ich werde dir helfen“, sagte Herr Albert Landauer und kam jetzt näher an den Jungen heran. „Du bist müde, komm, setz dich hier in den Sand. Ich weiß, daß du müde bist. Gleich wirst du einschlafen. Und dann wirst du mir meine Fragen beantworten — du bist müde, sehr müde...“
    Ein Schwarm Möwen flog dicht vorbei, und Alexander zuckte zusammen. Er schaute ganz kurz zum Himmel, und dann nacheinander zu Professor Schreiber, Karlchen und Florian. Aber sein Blick war dabei so, als würde er durch sie hindurchsehen wie durch Glas und sie eigentlich gar nicht bemerken. Gleich darauf bewegte er sich ganz langsam zum Boden hin, bis er wie beim Yoga mit untergeschlagenen Beinen und aufgerichtetem Oberkörper im Sand saß. Herr Albert Landauer nahm direkt ihm gegenüber dieselbe Haltung ein, und zwar so dicht vor ihm, daß sich ihre Knie berührten. „Du schläfst jetzt schon. Du bist eingeschlafen, und du schläfst immer tiefer...“
    Professor Schreiber gab Karlchen und dem sommersprossigen Florian durch Zeichen zu verstehen, daß sie sich lautlos und vorsichtig zurückziehen sollten. Er selbst schlich gleichfalls Schritt um Schritt nach rückwärts, bis er mit den beiden Jungen am Rand der Kuhle zusammentraf.
    „Die geringste Ablenkung würde das Experiment in Gefahr bringen“, flüsterte das Schildkrötengesicht ganz leise. „Wir wollen uns hier oben verteilen und aufpassen, daß nicht irgendein Badegast dazwischenkommt und alles kaputtmacht.“
    Karlchen Kubatz und Florian nickten stumm und krochen los. Der eine nach links, der andere nach rechts. Professor Schreiber aus Hamburg blieb, wo er gerade war. Er schob sich nur behutsam noch einen guten Meter weiter nach oben, damit er über den Kamm hinweg das Dünengelände vor der Kuhle beobachten konnte. Glücklicherweise waren im Moment weit und breit keine Menschen zu erblicken. Deshalb wagte es der kleine Professor auch, sich manchmal umzudrehen, und dann sah er, wie sich Herr Albert Landauer und Alexander im Sand gegenübersaßen. Der Junge immer noch mit aufgerichtetem Oberkörper, der untersetzte Mann in dem schwarzen Anzug vorgebeugt und die Ellenbogen auf den Knien.
    Und da passierte es.
    Karlchen Kubatz hatte die Gruppe von Touristen schon eine ganze Weile beobachtet. Es waren keine Badegäste vom Strand. Sie mußten vielmehr mit einem dieser großen Omnibusse gekommen sein, die ständig zu Inselrundfahrten unterwegs waren. Ein Reiseleiter mit einer weißen Schirmmütze ging voraus, blieb immer wieder stehen und zeigte einmal in die eine und dann wieder in die andere

Weitere Kostenlose Bücher