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Der Junge aus dem Meer

Der Junge aus dem Meer

Titel: Der Junge aus dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Polizist. Jedenfalls fuhr ich so schnell als möglich zum Hotel zurück. Den dicken, rundlichen Schweden sah ich zum letztenmal , nachdem ich in aller Eile in meinem Zimmer gepackt hatte und mit meinen Koffern aus dem Fahrstuhl kam. Er saß in einer Ecke der Halle an einer Bar, trank Whisky und rauchte wieder einmal wie ein Schlot. Den Diebstahl hatte er bis zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht entdeckt. Eine Viertelstunde später saß ich mit den übrigen Artisten im Zug nach Ribe , einem anderen Badeort in Dänemark, wo wir morgen auftreten sollten.“
    „Und was wäre passiert, wenn die Sache mit der dunklen Ledertasche auf dem Schiff geklappt hätte?“ fragte Paul Nachtigall neugierig.
    „Dann hätte sich der saubere Herr Landauer genauso in den Zug nach Ribe gesetzt“, antwortete Kriminalkommissar Michelsen. „Zuvor hätte er allerdings unseren jungen Freund aus Iserlohn wieder völlig aufgeweckt. Und das ganz ohne Gefahr, weil er sich ja an nichts mehr erinnert hätte. Dann wäre der Mann mit den Eulenaugen schlau genug gewesen, sich nicht verdächtig zu machen. Erst nach ein paar Tagen hätte er die INTERNATIONALE ARTISTIK endgültig und ohne Abschied im Stich gelassen.“
    „In Richtung Meer und Sonne“, bemerkte die Großmutter trocken.
    „Das ist ja alles sehr interessant“, bemerkte Professor Schreiber. Er lehnte sich tief in seinen Sessel zurück und blickte jetzt durch seine dicken Brillengläser zu Peter Grämlich hinüber. „Aber jetzt würde ich gern von dir wissen, ob es im Protokoll dieses Herrn Landauer nicht doch ein paar Dinge gibt, an die du dich jetzt erinnern kannst?“
    „Es ist ganz komisch“, erwiderte der Junge mit den schwarzen Haaren. „Vieles war mir ganz neu, und manche Dinge hören sich so an, als hätte ich sie tatsächlich erlebt. Alles geht durcheinander. Es ist so, als ob man nachts irgendwo immer wieder mal ganz kurz das Licht anknipst. Mitten in der Dunkelheit sieht man dann ganz klare Bilder. Zum Beispiel sehe ich sehr deutlich, wie das Eulenauge nach seinem Auftritt auf das Fährschiff kommt.“
    „Weißt du noch, ob du vorher die dunkle Ledertasche an der Garderobe abgegeben hast?“ fragte Professor Schreiber.
    „Daran kann ich mich nicht erinnern“, gab der schwarzhaarige Junge zu.
    „Aber du mußt es wohl getan haben“, bemerkte Kommissar Michelsen. „Ein paar Tage später habt ihr sie ja dort abgeholt.“
    „Also, wie war das, als der Mann mit den grüngrauen Eulenaugen über die Gangway auf die Fähre kam?“ fragte Professor Schreiber wieder.
    „Es war genauso, wie er es zu Protokoll gegeben hat“, erwiderte Peter. „Die Menschen drängten zum Kai und verdeckten ihn zuerst. Aber dann sah ich ihn. Er blickte sich um, während Schultern und Köpfe an ihm vorbeigingen. Und schlagartig überfiel mich schreckliche Angst. Ich stürzte davon, riß die nächstbeste Tür auf und schlug sie hinter mir zu. Ich stand jetzt in einem niedrigen Raum, der beinahe dunkel war. Zusammengerollte Taue lagen am Boden, und Schwimmwesten hingen an einer Wand. Allmählich gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit und entdeckten auf einem Tisch Werkzeug, eine Thermosflasche, Brot und eine geöffnete Wurstbüchse. Daneben lag ein Fahrtenmesser, wie es Pfadfinder tragen. Irgend jemand mußte gerade beim Abendbrot gestört worden sein. Draußen war jetzt schon zum drittenmal die Sirene zu hören, aus den Lautsprechern kam Musik, und dann sprangen die Maschinen an. Ein Zittern ging durch das Schiff, und wenig später machte es volle Fahrt.“ Der Junge mit den schwarzen Haaren machte eine Pause und schloß für einen kurzen Moment die Augen. „Ich weiß nicht mehr, wie lange ich in dieser halbdunklen Kajüte war. Aber ich sehe noch ganz genau dieses Fahrtenmesser vor mir, das auf dem Tisch lag. Irgendwo auf den Decks dieses Schiffes war der Mann mit den Eulenaugen und suchte mich. Wenn er mich finden würde, mußte etwas ganz Fürchterliches passieren, bildete ich mir ein. Spätestens bei der Landung entdeckte er mich bestimmt. Ich mußte von Bord. Jetzt mitten in der Nacht und auf hoher See. Plötzlich stellte ich mir Krokodile vor, die ihre Mäuler aufrissen, und ganze Schwärme von Haifischen, die mit ihren gewaltigen Schwanzflossen um sich schlugen. Wenn ich jetzt ins Meer sprang, war ich ihnen wehrlos ausgeliefert, dachte ich, und da griff ich nach dem Messer. Wie ich dann tatsächlich das Schiff verlassen habe, weiß ich nicht mehr. Ich sehe nur noch tanzende

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