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Der Junge aus dem Meer

Der Junge aus dem Meer

Titel: Der Junge aus dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Schreibmaschine.
    „Ja, es muß so gegen vier Uhr gewesen sein“, erwiderte der schwarzhaarige Junge. „Ich schlenderte durch den Hafen, und auf einmal stand er vor mir. Er sei gerade dabei, sich die Stunden bis zur Vorstellung zu vertreiben, meinte er. Wir plauderten eine ganze Weile miteinander, und dabei kamen wir zu dem weißen Fährschiff, das gerade im Hafen am Kai lag. Zwischen den Fahrten konnte es wie ein schwimmendes Restaurant benutzt werden, ohne daß man Passagier sein mußte. Das Eulenauge ging mit mir an Bord, und schon kurze Zeit später saßen wir an Deck. Er hatte für uns beide Kuchen und Kakao bestellt. Die Sonne schien, und eine ganze Menge Touristen hatte sich auf dem Schiff versammelt. Wenn sie Brotstücke über Bord warfen, stürzten sich ganze Möwenschwärme krächzend zum Wasser hin, und aus den Lautsprechern kam Musik. Aber das alles störte uns nicht. Dieser Herr Landauer mit seinen großen grüngrauen Augen elektrisierte mich und erzählte so spannend, daß man rundherum alles andere glatt vergessen konnte. Und nach dem gestrigen Abend interessierte es mich natürlich besonders, mehr über Hypnose zu erfahren. Jedenfalls verging die Zeit im Handumdrehen. Plötzlich röhrte die Schiffssirene, und eine Lautsprecherstimme forderte die Besucher auf, wieder an Land zu gehen, weil man jetzt die Passagiere zur Fahrt nach List auf Sylt erwarten würde. Wir wanderten zur Garderobe, wo ein alter Mann, der kein Haar mehr auf dem Kopf hatte, dem Eulenauge seinen Regenmantel zurückgab. Anschließend spazierten wir wieder zum Hotel zurück. Es hatte sich nämlich inzwischen herausgestellt, daß er zusammen mit ein paar anderen Solisten und dem Direktor auch im Lakolk wohnte, während die übrigen Mitglieder und Techniker der INTERNATIONALEN ARTISTIK in irgendwelchen Pensionen untergebracht waren. Auf dem Weg vom Hafen habe ich ihm dann ganz gedankenlos erzählt, daß meine Eltern für ein paar Tage nach Kopenhagen gereist seien und auch, daß ich im Frühjahr einen ganzen Monat lang krank war, weshalb ich meine Schulbücher in die Ferien mitgenommen hätte. Noch im Fahrstuhl fragte er, ob ich vielleicht Lust hätte, am Abend zum zweitenmal in die Vorstellung zu kommen. ,Ja , ich würde ganz gern Ihren Auftritt als Zuschauer erleben’, sagte ich. Gestern war ich ja hypnotisiert, und heute wäre eigentlich alles neu für mich. Daraufhin fragte er nach meiner Zimmernummer und versprach, mich rechtzeitig abzuholen und dann ohne Eintrittskarte in den Theatersaal zu schmuggeln. Als er in der zweiten Etage ausstieg, blinzelte er mir zu. Ich fuhr weiter, weil mein Zimmer im dritten Stockwerk lag. Jetzt sah ich das Eulenauge erst wieder, als es ein paar Stunden später an meine Tür klopfte.“
    Für eine Weile hörte man nur das Ticken der alten Standuhr und das Prasseln des Feuers im Kamin. Der Wellensittich war inzwischen zum Fensterbrett hinübergeflattert und träumte durch eine Vorhangritze zum Mond hinauf.
    „Fortsetzung folgt“, meinte schließlich Herr Kubatz. „Wer erzählt weiter?“
    „Vermutlich wäre jetzt das Eulenauge dran“, bemerkte der Boß der Glorreichen Sieben. „Beziehungsweise Herr Albert Landauer.“
    „Wie du siehst, habe ich auch schon das Protokoll seiner Aussage aus der Tasche geholt“, erwiderte der Kriminalkommissar. „Übrigens deckt es sich bisher haargenau mit dem, was uns Peter berichtet hat.“ Er drehte sich jetzt so, daß er den schwarzhaarigen Jungen aus Iserlohn sehen konnte. „Auch die Sache mit deiner Krankheit hat er nichtvergessen, und daß du in den Ferien nachholen willst, was du ihretwegen in der Schule versäumt hast. Das ist ihm wieder eingefallen, als er bei dem glatzköpfigen Garderobier schnell eine Ausrede erfinden mußte.“ Er unterbrach sich selbst. „Aber damit eile ich den Dingen ein paar Tage voraus“, meinte er jetzt. Dabei blätterte er in den fünf oder sechs Bogen Papier, die der junge Herr Lüders während der Vernehmung des Hypnotiseurs im Büro der Kriminalpolizei vollgetippt hatte und die jetzt zwischen dem Aschenbecher und der Kaffeetasse vor Herrn Michelsen auf dem Tisch lagen. „Wir gingen zusammen vom Hafen zum Hotel Lakolk zurück...“ Er blätterte eine Seite weiter, „...ja, das ist die Stelle“, sagte er jetzt, und dann las er vor, was Herr Landauer zu Protokoll gegeben hatte: „Als ich dann im zweiten Stock allein aus dem Fahrstuhl kam, ging ich in mein Zimmer Nummer 26. Ich legte mich auf ein Sofa, weil ich mich

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